Oldies unter sich

Kontaktstudium für Senioren leidet unter Bachelor-Master-System. Weil die Jungen intensiver betreut werden, gibt‘ s für die Alten Sonderkurse

Von KAIJA KUTTER

In Hamburg gibt es seit 1993 ein stetig beliebter werdendes „Kontaktstudium für ältere Erwachsene“. Die SPD-Politikerin Barbara Brüning sieht das Modell jetzt durch Einsparungen des Hamburger Senates in den Geisteswissenschaften bedroht. So erfuhr sie durch eine „Schriftliche Anfrage“, dass die Zahl der Teilnehmer in diesen Fächern rapide schrumpft – in Kulturgeschichte um 31, Theologie um 40 und Erziehungswissenschaft gar um 80 Prozent.

Insgesamt 473 Belegungswünsche der älteren Hörer konnten nicht berücksichtigt werden. „Für sie muss dringend mehr getan werden, wenn man das Prinzip des lebenslangen Lernens ernt nimmt“, mahnt Brüning und wirft dem CDU-Senat „Desinteresse“ vor.

Dass die Bereitschaft der ProfessorInnen, die Seminare zu öffnen, zurückging, räumt der Senat offen ein, führt das aber nicht auf Einsparungen, sondern auf das neue Bachelor-Master-Studiensystem zurück. In dem Bachelorstudium sollen die Studierenden in nur drei Jahren zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss geführt werden. Dies geht nicht ohne eine intensivere Betreuung. Für die regulären Studierenden besteht deshalb Anwesenheitspflicht in Vorlesungen und Seminaren. Auch wird vermehrt in kleinen Gruppen gelehrt. „Wir tun viel für die Senioren“, sagt Uni-Vize-Präsident Holger Fischer. Darunter dürfe aber die Kernaufgabe nicht leiden. „Wenn wir eine auf 25 Teilnehmer beschränkte Veranstaltung haben, müssen die Plätze erst mal an die Studierenden vergeben werden.“

Eine Bedrohung für das Kontaktstudium sieht Fischer aber nicht. Hat doch die hauseigene „Arbeitsstelle für wissenschaftliche Weiterbildung“ (AWW), die das Kontaktstudium organisiert, reagiert und für rund 1.000 Teilnehmer eigene Veranstaltungen geschaffen. In der Summe gibt es gegenüber dem vorigen Semester eine deutliche Ausweitung des Angebots. In Kunstgeschichte zum Beispiel gibt es jetzt ein aus vier Bausteinen bestehendes Lehrangebot mit Zertifikat, das den Senioren sogar ein Referat abverlangt. Schon bisher bestand ein Teil des Kontaktstudiums aus speziellen AWW-Angeboten, vom Sprachkurs bis zum Nordic-Walking-Training, bei dem die Oldies unter sich blieben.

Nur sind diese Kurse teurer. Und weil das Kontaktstudium nach dem Willen des Senats absolut selbstkostendeckend sein soll, musste die Uni die Gebühren von 80 auf 100 Euro erhöhen. Das sei verglichen mit den Preisen der Volkshochschule „spottbillig“, sagt Fischer. Für bedürftige Senioren übernehme zudem seit neuestem ein Förderverein die Kosten.

Allerdings ist jetzt erst die Hälfte der Fächer, wie etwa Geschichte, auf das Bachelor-System umgestellt. Wenn im Wintersemester 2007 – bis auf Jura und Medizin – die übrigen Fächer folgen, werde die Zahl der offenen Lehrveranstaltungen „weiter sinken“, sagt Fischer. Dann müsse man mehr kompensatorische Angebote schaffen und irgendwann überlegen, ob die 100 Euro „noch angemessen“ seien. Derzeit gebe es aber „keinerlei Absicht, die Gebühren zu erhöhen“.

„Wir gucken schon sehr kritisch, wie es sich weiter entwickelt“, sagt Karin Pauls, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin der AWW das Kursangebot organisiert. Bildung werde leider „immer teurer“. Die Professoren gerieten durch das Bachelor-Master-System „unter Druck“ und seien „aus gutem Grund“ vorsichtiger geworden bei der Öffnung ihrer Seminare.

Die AWW werde künftig im Programm auf die Teilnehmerbegrenzungen hinweisen, um zu verhindern, dass die älteren Erwachsenen auf dem Fußboden sitzen müssen. So wie es jüngst der Fall gewesen sei, bei einer Vorlesung über die „Geschichte der USA“. AWW-Mitarbeiterin Pauls: „Die Dozentin war bereit, die Vorlesung zu öffnen. Die Kontaktstudierenden gingen frohen Mutes dahin und dann war der Hörsaal zu klein.“