Wenn die Kamerateams weg sind

Der hannoversche Fotograf Wolf Böwig besucht seit 15 Jahren Krisengebiete in Asien und Afrika um festzuhalten, wie sich die Kriege auf das Leben der Menschen auswirken. Für seine Fotos bekam Böwig viele Preise – und kürzlich auch ein Stipendium der Non-Profit-Organisation Aftermath Project

Schnell muss es gehen, das ist die Grundregel in den Nachrichtenredaktionen. Und spektakulär soll es sein, was die Reporter, Fotografen und Kameraleute an Material liefern. Also reisen die Journalisten zu den Kriegsschauplätzen der Welt, nach Afghanistan, Liberia oder Sierra Leone, und berichtet wird, wenn gekämpft wird. Das macht den hannoverschen Fotograf Wolf Böwig anders: Er dokumentiert, wie das Leben in Krisengebieten weitergeht, wenn der Krieg vorbei ist und die Menschen mit allen ihren Erlebnissen versuchen, wieder ein Leben aufzubauen. Dafür hat die Non-Profit-Organisation The Aftermath Project Wolf Böwig nun mit einem Stipendium in Höhe von 15.000 Dollar ausgezeichnet.

Seit 15 Jahren ist Böwig, 42, als freier Fotojournalist in den von Kriegen zerrütteten Gebieten Zentralasiens und Afrikas unterwegs. Seine Fotos veröffentlichte er unter anderem in der Neuen Zürcher Zeitung, der New York Times, Lettre International, dem Stern und der taz. Er war Gründungsmitglieder der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen und gewann mehrere Preise wie den European Press Award oder den Leica Award. Vergangenes Jahr erschien das Buch „Schwarz.Licht. Passagen durch Westafrika“, das Böwigs Bilder zusammen mit Reportagen von Pedro Rosa Mendes präsentiert.

Momentan befindet sich Böwig in Namibia, wo er dokumentiert, wie sich das Leben auf der Farm Ongombo West entwickelt hat – die deutschstämmige Familie Wiese musste die Farm 2005 zwangsverkaufen, da die namibische Regierung dort benachteiligte schwarze Namibier ansiedeln möchte.

Böwig sucht die Orte seiner Fotoreportagen immer wieder auf, das ist Teil des Konzepts. Wobei seine Bilder neben dem dokumentarischen auch einen künstlerischen Aspekt haben: „Fotografie heißt Schreiben und Zeichnen mit Licht“, sagt Böwig. Wichtig für ihn sei eine dritte Dimension, „wenn ein Betrachter in den Bildern etwas sieht, das über das zweidimensionale Medium hinausgeht.“

In den 1980er Jahren studierte er zunächst Mathematik und Philosophie, Fotos machte er nur nebenbei. Dann begleitete er einen befreundeten Journalist auf einer Recherchereise durch den Balkan und hatte mit seinen Bildern auf Anhieb Erfolg. Wie sich der erklärt? „Er ist sich über das Ausschnitthafte der Fotografie im Klaren“, sagt der Galerist Robert Morat, der Böwigs Bilder kürzlich in seiner Hamburger Galerie ausstellte. „Es ist subjektive Fotografie, die mehr emotionale Informationen enthält als visuelle. Innerhalb der Reportage-Fotografie ist das sehr außergewöhnlich.“ Klaus Irler