Im Muster der Tapete untergehen

Die jungen Malerinnen der Neuen Leipziger Schule sind bisher zwar weniger bekannt als ihre männlichen Kollegen; an ihrer Kunst aber liegt das nicht. Das beweist die Ausstellung „Wild at Heart“ in der Villa Oppenheim, die fünf von ihnen vorstellt

VON BRIGITTE WERNEBURG

Die Neue Leipziger Schule der Malerei hat auch ihre unbekannten Helden und Heldinnen. Aufgrund des hartnäckigen Fokus auf die Kunst von Männern sind die unbekannten Leipziger selbstverständlich vor allem die Frauen, die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink, Neo Rauch oder Sighard Gille studiert haben. Heide Nord, 1980 in Halle geboren, gehört dazu, Juliana Ortiz, Claudia Rößger und Miriam Vlaming, alle in den 70ern geboren. Nur Cornelia Groß, 1973 in Berlin geboren, die Fünfte im Bunde bei der Gruppenausstellung „Wild at Heart“ in der Villa Oppenheim, hat an der Burg Giebichenstein in Halle ihren Abschluss gemacht.

Spontan ist nur Miriam Vlaming der Leipziger Schule zuzuordnen. Auch ihre großformatigen Gemälde prägt ein Stil, der untergründig stets eine Malweise von undefinierter Historizität mitzitiert. Eine Malweise, die in ihrem stark zeichnerisch angelegten Charakter an Neo Rauch denken lässt. Dabei hat Vlaming doch bei Arno Rink studiert. Aber da kommt auch Neo Rauch her. Anders als dieser verzichtet Miriam Vlaming auf eine kräftige Farbigkeit. Ihr Arztzimmer in der „Morgendämmerung“ wie ihre Familie beim „Abendbrot“ scheinen fast Ton in Ton mit einer zweifarbigen Palette gemalt. Auf Leipzig verweist auch die große Rolle, die das Ornament in ihren Bildern spielt. Vlaming setzt es mit höchster Raffinesse ein. Mal nutzt sie subtil ein Fensterraster, mal taucht das Ornament parodistisch überdimensioniert als überbordende Tapete auf, unter der die Familie beim „Abendbrot“ geradezu verschwindet.

Konträr zu der Kunstfertigkeit, mit der Vlaming ihre Malschichten übereinanderlegt, verschmilzt und wieder aufbricht, spielt Juliana Ortiz in ihren Bildern mit dem Anschein des dilettantisch selbst gemachten, freilich ebenfalls in höchster Perfektion. Perspektivlos verwebt sich alles zu einem einzigen Muster; der Stuhl, der Bilderrahmen, die Lampe und auch der schon gemusterte Teppich. „Muster“, schreibt Paule Hammer im Katalog, „verbinden die Langeweile mit dem Schöpfungsakt“. Das könnte der Grund sein für die Faszination, die von Julia Ortiz’ häuslichem Bilderkosmos ausgeht. Ein rätselhafter Charme jedenfalls ist ihren Gemälden eigen, und nie ist so recht zu entscheiden, handelt es sich nun um plumpe Gegenständlichkeit oder raffinierte Abstraktion.

Richtig farbenfroh wird es bei Cornelia Groß, Heide Nord und Claudia Rößger. Auch Rößger arbeitet hart gegen die aktuell erfolgreiche Gemäldepolitik: Absichtsvoll skizzenhaft, unfertig, unsicher scheinen ihre verzerrten, deformierten „Püppchen“ oder „Monster“, die sich am Ende doch als starke Frauenporträts herausstellen. Heide Nord dagegen brilliert mit zitiertem zeichnerischen Können, mit Illustrationen aus Fauna und Flora, die sie in ihren großformatigen Ölbildern in eine schwungvolle und farbstarke Welt hineinsetzt. Dabei arrangiert sie gerne mehrere Tafeln zu einem Verbund, was ansatzweise erahnen lässt, dass sie ihre Malerei gerne in den Raum hinein und zu Kulissen entwickelt, die der Bildbetrachtung eine regelrechte Bühne bieten.

Auch Cornelia Groß macht dem Betrachter ein ähnliches Angebot, freilich in sehr viel kleinteiligerer Form. Denn viele ihre Bilder sind tatsächlich kleine Schaukästen, in denen sich reale Gegenstände wie etwa Spielzeugfiguren wiederfinden. Sie ist die Künstlerin als Sammlerin und Erzählerin – zu Recht hat sie gleich den ganzen ersten Raum der Villa Oppenheim erhalten, denn diesen Platz braucht es, damit sie ihr Pop-Comic-Panoptikum ausbreiten kann.

Die unbekannten Heldinnen der Neuen Leipziger Malerschule zeigen sich als eigenwillig und unangepasst. In diesem Punkt aber gehen sie mit ihrem Herkommen konform: in ihrer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Malfläche und was sich darauf mit Farbe, Objekten oder vorgefundenen Bildern an eigenen Ideen und Vorstellungen verwirklichen lässt. Bleibt also zu hoffen, dass sie bald zu den bekannten Helden aus Leipzig zählen. Miriam Vlaming zumindest wird diesen Sommer im hippen New Yorker Galerienviertel Chelsea bei Moti Hasson ihre erste Einzelausstellung haben.

Bis 4. 2., Villa Oppenheim, Schloßstr. 55, Di.–Fr. 10–17, So. 11–17 Uhr