Sartre-Blatt wird AG

Mit prominenten AktionärInnen wie dem Intellektuellen Bernard-Henri Lévy soll die weitere Sanierung der französischen „Libération“ gelingen

Aus Paris Dorothea Hahn

Mehr Kapital, weniger Freiheit. So geht der seit langem gärende Konflikt bei dem linksliberalen Pariser Blatt Libération zu Ende. Gestern machte Hauptaktionär Edouard de Rothschild eine Liste mit den Namen derjenigen bekannt, die insgesamt 15 Millionen Euro in die Zeitung stecken und sie in eine banale Aktiengesellschaft verwandeln werden. Er hält auch an seinem Plan fest, knapp jeden dritten Arbeitsplatz zu streichen.

Tags zuvor hatte die Belegschaft des hochverschuldeten Unternehmens resigniert auf ihr Veto- und andere Mitspracherechte verzichtet. Unter den Neu-AktionärInnen, die fortan die Geschicke der einst von Jean-Paul Sartre mitgegründeten Zeitung lenken werden, ist neben italienischen, belgischen und französischen Medienleuten sowie Industriellen und Versicherungsunternehmen auch der französische Spektakelphilosoph und Industriellenerbe Bernard-Henri Lévy.

Knapp zwei Jahre nachdem er mit zunächst 20 Millionen Euro als schon damals größter Teilhaber bei Libération eingestiegen war, hat sich Rothschild damit komplett durchgesetzt. Bei seinem Kapitaleinstieg Anfang 2005, dem die Beschäftigten erst nach langen Diskussionen zugestimmt hatten, hatte er sich als Menschenfreund darstellen lassen, dem am Überleben der Zeitung, nicht aber an Eingriffsmöglichkeiten gelegen war. Der Belegschaft garantierte er vertraglich drei Sitze im Aufsichtsrat sowie das Vetorecht bei allen Fragen, die mit der Unabhängigkeit der Zeitung zusammenhängen. Inklusive Kapitalverteilung.

Schon wenige Monate später „entdeckte“ Rothschild, dass die Verschuldung von Libération weiter zunahm. Seither sind auf sein Betreiben bereits mehr als 50 Arbeitsplätze gestrichen worden. Im letzten Sommer musste der Mitgründer und langjährige Chef von Libération, Serge July, auf Rothschilds Drängen das Blatt verlassen. July, der ein Jahr zuvor Rothschild ins Haus geholt hatte, erklärte, der Hauptanteilseigner verlange seinen Weggang, um neue Investoren akquirieren zu können. Auch der Geschäftsführer musste gehen.

Seither haben einige der prominentesten AutorInnen Libération unter Protest gegen Rothschild verlassen, unter ihnen Florence Aubenas, die monatelang Geisel im Irak war. Doch Rothschild wollte mehr. Nachdem Libé im vergangenen Jahr zwischen 12 und 14 Millionen Euro neue Verluste gemacht hatte und unter Gläubigerschutz geriet, setzte er einen „Sozialplan“ durch, der die Streichung von 87 der verbleibenden 287 Arbeitsplätze vorsieht. Erst nachdem sein Weg frei war, stellte er die neuen AktionärInnen vor.

Rothschild selbst will sein Kapital mit 5,8 Millionen aufstocken und sich als unumgänglicher Hauptaktionär festigen. Er wird dann über 38,6 Prozent des Kapitals verfügen. Zweiter Großaktionär wird mit 33,3 Prozent der Italiener Carlo Caracciolo, einer der Mitgründer von La Repubblica. Weiterhin steigen ein beziehungsweise stocken ihr Kapital auf: das Kino-Unternehmen Pathé, der belgische Medienkonzern Mediascap sowie zehn prominente französische AktionärInnen.

Damit steht fest, dass Libération weiter existieren wird. In welche Richtung sich das Blatt entwickeln wird, ist aber völlig offen. Von den Neu-AktionärInnen hat sich noch niemand über die Motive für den Einstieg geäußert. Im Interview mit Le Monde verkündete Rothschild nur, dass Libération ein „freches Qualitätsblatt“ bleiben und neue Leser gewinnen werde. Außerdem strebe er für 2008 die Rückkehr in die Gewinnzone an.