ÄGYPTISCHE REVOLUTION: Schwester SMS
Erst hatte ich die Signale nicht gehört. Irgendwann sah ich sie doch, die SMS, die am Freitag eingelaufen war. „Alle Freunde sind aufgerufen, unsere ägyptischen Brüder zu unterstützen und zur Demo um 15 Uhr vor der ägyptischen Botschaft zu kommen“, stand da. Wunderbare Welt der elektronischen Kommunikation! So schrecklich es ist, dauernd kommunizieren zu müssen, so ergreifend ist es, quasi persönlich am Ärmel gezupft zu werden, wenn anderswo eine Revolution stattfindet. Es rührte mich, weil es nichts Größeres gibt als Leute, die für Recht, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit auf die Straße gehen. Umso mehr störte mich, dass in der SMS die ägyptischen Schwestern durch Nichterwähnung quasi unter eine elektronische Burka gesteckt worden waren. Solche Fehler darf die Revolution nicht machen.
Die Demo hatte ich verpasst, am Wochenende war viel zu tun, und doch las ich in jeder freien Minute über die Revolution der Ägypter. Wenn das so weitergeht, werde ich ein zweites 89 erleben, überlegte ich bei mir, das nenne ich mal ein Privileg. Am besten gefielen mir die Jugendlichen, über die ich las, dass sie sich weder vom Staatsapparat noch von den Fanatikern in Christen und Muslime auseinanderdividieren ließen und stattdessen gemeinsam demonstrierten. Und die Männer, die nun auch in Ägypten anfingen, die Straßen zu fegen, weil das jetzt endlich ihre eigenen seien. Da betraten Citoyens die Bühne, von denen man bis eben nicht gewusst hatte, dass es sie gab.
Die Freunde der Citoyens schickten mir am Sonntag eine zweite SMS. Sie lautete: „Der ägyptische Präsident Mubarak muss weg! Alle Freunde sind aufgerufen, unsere ägyptischen Brüder und SCHWESTERN zu unterstützen. Kommt heute zur Demo am Potsdamer Platz.“ Die Schwarmintelligenz der ägyptischen Revolution reicht bis in mein Handy. ULRICH GUTMAIR
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