Kreuzberg im Nahen Osten

Cemil Mengi spielte bisher beim Fußballverein Türkiyemspor. Nun versucht er wie viele andere Kollegen sein Glück in der Türkei – mit der Nummer 36 als Souvenir an S0 36

Man hat es offenbar nicht leicht am Bosporus als Berliner Türkenspross: Er sitze bei seinem neuen Verein Caykur Rizespor in der Türkei meist mit den „anderen Deutschen“ beim Essen am Tisch, erzählt Cemil Mengi. Das Fußballtalent aus Berlin scheint zu vergessen, dass er einen türkischen Pass besitzt und von Anatoliens Verband gerade zu einem Lehrgang für die Juniorenmannschaft eingeladen worden ist. Und was soll man davon halten, dass der 20-Jährige mit seinen deutschen Kollegen den früheren Bremer Bundesligaprofi Razundara Tjikuzu aus Namibia und Erhan Albayrak meint, einen gebürtigen Hamburger, der früher bei Arminia Bielefeld sein Geld verdiente?

Mengi versucht jetzt in der heimatlichen Fremde in Türkeis Süperlig sein Glück. „Irgendwie schaffen es die ausländischen Spieler in Deutschland nicht“, behauptet Cemil, der den Kreuzberger Amateurclub Türkiyemspor verließ, um Profi zu werden. Sein Berater grantelt, Hertha habe sich wieder einen hoffnungsvollen Youngster durch die Lappen gehen lassen.

Jetzt also Rize statt Berlin. Seit vergangenen Sommer spielt Mengi in der Schwarzmeerstadt im nordöstlichen Teil des Landes, unweit der georgischen Grenze. „Die Leute dort merken schon, dass ich aus Deutschland komme. Aber es ist nicht so, wie immer erzählt wurde, dass sie dann meckern. Ich kann ohne Probleme Deutsch auf der Straße sprechen“, erzählt der Mittelfeldspieler.

Der gebürtige Kreuzberger läuft im Nahen Osten Werbung für Berlin. Die Trikotnummer 36 ziert das breite Kreuz des flinken Angreifers – ein Souvenir an SO 36, wo er aufwuchs. „Am Anfang war’s schwer in der Türkei. In Rize ist nicht viel los. Ich hatte Heimweh nach meinen Eltern und meinen beiden Schwestern“, gesteht Cemil, der im Internat von Caykur logiert.

Auch an die Usancen in der Süperlig musste er sich erst gewöhnen. Cemil berichtet von langen Auswärtstouren in entlegene Winkel des Riesenlandes. „Wenn man im Südosten spielt, fliegt man erst mal eine Stunde bis Istanbul, fährt dann stundenlang mit dem Bus weiter.“ Auf die Frage nach dem größten Unterschied zu Deutschland, antwortet er ohne Zögern: „Vor dem Anpfiff wird in der Türkei immer die Nationalhymne gespielt, auch bei Freundschaftsspielen.“

Nach einer Partie bei Besiktas Istanbul ließ ihn der restliche Rizespor-Kader notgedrungen im Stich. Der Bus fuhr ohne den Berliner ab, weil Cemil die geforderte Dopingprobe nicht rechtzeitig abliefern konnte. Mengi nutzte die Gelegenheit, um seine Tante in der Bosporusmetropole zu besuchen, und reiste danach zurück in die nordöstliche Provinz. Inzwischen dürfte er nicht mehr so unerkannt durch die Gegend lustwandeln. „Es kommt häufig vor, dass ich auf der Straße angesprochen werde und Autogramme geben muss“, sagt Rizespors Neuer mit hörbarem Stolz.

Bislang hat ihn sein Club in zwei Meisterschafts- und drei Pokalpartien eingesetzt. Cemil könnte es packen in der Türkei, „wo wesentlich härter gespielt wird als in Deutschland“, wie der Spieler beklagt.

Jahr für Jahr versuchen zahlreiche Berliner Talente, im Land ihrer Vorfahren den Durchbruch zu schaffen. Die meisten kehren desillusioniert zurück.

„Ich habe bei Rizespor einen Vertrag bis 2010 und will mich durchsetzen“, erklärt Mengi, der für den Istanbuler Nobelverein Fenerbahce schwärmt. Die Hürde Heimweh scheint überwunden. „Wenn meine Familie nicht in Berlin wohnen würde, würde ich gar nicht mehr zurückkommen“, sagt Mengi. Bei diesen Worten muss sein Berater lächeln. JÜRGEN SCHULZ