Faust in der Tasche

Russlands Biathleten dominieren in Oberhof – nebenbei tragen sie einen heftigen Streit mit ihrem Verband aus

OBERHOF taz ■ Es hat sicherlich schon Tage im Leben des Nikolai Kruglow gegeben, in denen der russische Biathlet fröhlicher mit seiner Landesfahne herumgewedelt hat als gestern um die Mittagszeit. Zum Abschluss der Oberhofer Weltcupwoche war der 26-Jährige nach seinen Erfolgen mit der Staffel und im Sprint gerade dabei, auch noch das dritte Herren-Rennen, die Verfolgung, zu gewinnen, als ihm wenige Meter vor der Ziellinie einer die obligatorische Siegerflagge in die Hand gedrückt wurde. Kruglow nahm sich den weiß-blau-roten Stoff, schwenkte ihn ein bisschen durch die Gegend, ehe er im Ziel die nachfolgenden Teamkollegen Dmitri Iaroschenko und Maxim Tschoudow in Empfang nahm.

Ein hübscher Dreifacherfolg der russischen Skijäger, der zugleich allerdings im krassen Gegensatz zur aktuell praktizierten innerrussischen Schlammschlacht steht. Denn schmutzig ging es zuletzt nicht nur auf der Tag für Tag, Nacht für Nacht mühevoll präparierten Strecke in Oberhof zu, sondern auch beim Kampf von Kruglow und Co gegen die Russische Biathlon-Union (RBU). Am vergangenen Mittwoch, dem Tag vor dem Staffelrennen, hatten die Sportler gegen den Willen ihres Verbandes persönliche Sponsorenverträge mit dem russischen Stahlproduzenten Mechel unterschrieben. Woraufhin ihnen ihr Trainer am Samstag eine halbe Stunde vor Rennstart von der RBU-Führung ausrichten ließ: Sofort das Logo des neuen Sponsors überkleben, sonst wird das nichts mit eurem Sprint durch den Matsch.

Mit geballter Faust in der Tasche griffen die revoltierenden Skijäger daraufhin zum großen Klebestreifen – und nahmen damit unter anderem ihren deutschen Konkurrenten die Chance auf ein besseres Resultat: Mit fünf Platzierungen unter den ersten acht legten Russlands Biathleten, bei denen Sergej Roschkow gestern wegen eines erhöhten Hämoglobinwerts mit einer Schutzsperre belegt wurde, am Samstag die Grundlage für ihren Triumph in der Verfolgung.

Michael Greis, der Dreifach-Olympiasieger von Turin, zeigte sich nach dem Sprint noch „wunschlos glücklich“ über seinen zweiten Rang hinter Kruglow – von Glück konnte tags darauf dann aber auch bei dem 30-jährigen Allgäuer keine Rede mehr sein. Fünfzehnter war er am Ende. Doch auch wenn Greis damit weiterhin den Gesamtweltcup anführt, so musste er doch mit ansehen, wie sein großer Rivale Ole Einar Björndalen aus scheinbar aussichtsloser Position an ihm vorbeizog. Vom für den Norweger sensationell schlechten Platz 30 im Sprintrennen schoss Björndalen auf dem verdreckten, mit jeder Minute brüchigeren Untergrund noch hoch bis auf Rang fünf. Und dabei schnappte er sich auf den letzten Metern schließlich auch noch Andreas Birnbacher, als Sechster gestern der erfolgreichste DSV-Starter.

Birnbacher weiß nun, knapp einen Monat vor Beginn der Biathlon-WM, dass er insbesondere an seinen läuferischen Fähigkeiten arbeiten sollte. Das gilt auch für Ricco Groß.Der 36-Jährige, der nach diesem Winter seine Karriere beendet, war dagegen gestern dabei – und wurde Elfter. Dabei blieb der Mann aus Ruhpolding als Einziger unter den Top 15 fehlerfrei, büßte die gewonnene Zeit am Schießstand dann allerdings auf der 12,5 Kilometer langen Strecke wieder ein.

Auf Skiern und mit dem Gewehr in der Hand gleichermaßen gut sind dagegen zurzeit die Biathleten aus Russland. Im Oberhofer Schneematsch haben sie gewonnen, was es zu gewinnen gab, nun ziehen sie mit dem Skijäger-Tross weiter nach Ruhpolding. Dort wollen sie dann nicht nur siegen, sondern auch ein klärendes Gespräch führen. Mit ihrem Verband. Klingt nach einer weiteren Schlammschlacht. Für Ruhpolding wird ab Donnerstag Regen vorausgesagt.ANDREAS MORBACH