Kandidatur verpasst, Kandidat arbeitslos

Nachdem die Wiesbadener SPD ihren Bewerber nicht für die Bürgermeisterwahl angemeldet hat, muss sich der Theologe nun Gedanken über seine Zukunft machen. Das Priesteramt hatte er für den Wahlkampf aufgegeben

WIESBADEN taz ■ Mit Fatalismus hat die SPD-Bundesspitze am Wochenende auf die schwere Panne bei der Vorbereitung der Wiesbadener Oberbürgermeisterwahl reagiert. „Was auf dieser Welt an Fehlern gemacht werden kann, wird wohl offensichtlich auch gemacht“, sagte der Parteivorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck am Rande einer Klausurtagung seiner Partei in Bremen. Generalsekretär Hubertus Heil formulierte es mit den Worten: „Shit happens.“

Die Wiesbadener Sozialdemokraten hatten es in der vorigen Woche versäumt, rechtzeitig ihren Bewerber Ernst-Ewald Roth für die Wahl anzumelden. Dabei galt die Kandidatur des 53-jährigen katholischen Diplomtheologen und ehemaligen Priesters als erfolgversprechend, weil bundesweit ungewöhnlich.

Jetzt muss sich Roth Gedanken um seine berufliche Zukunft machen. Für seine Kandidatur hatte er bereits im April 2006 seinen Job als Stadtdekan von Wiesbaden aufgeben müssen. Wer nach einem weltlichen Amt strebt, muss nach den Regularien der katholischen Kirche auf das klerikale Amt verzichten. Der in Montabaur geborene Priester war auch Vorsitzender des Gesamtverbands der katholischen Kirchen in Wiesbaden und Chef des örtlichen Caritasverbandes.

Aus Limburg, dem für Wiesbaden zuständigen Bischofssitz, war am Wochenende zu hören, dass einer Rückkehr in den Schoss der katholischen Kirche wohl nichts im Wege steht. Roth müsste dafür nur seine Wiedereinsetzung in den Priesterstand beantragen.

Keine Rückkehr in Amt und Würden wird es wohl für den Vorstand der SPD in Wiesbaden geben, der in Folge des Debakels geschlossen zurücktrat. Ein weiteres Fiasko. Denn der neue Unterbezirksvorstand mit dem Landtagsabgeordneten Marco Pighetti an der Spitze sollte die bei den letzten Kommunalwahlen im März 2006 arg abgestraften Genossen in Wiesbaden aus der Krise führen, nachdem sie im Stadtparlament zuletzt von einer „Jamaika“-Koalition aus CDU, FDP und Grünen kaltgestellt wurden. Heute will die SPD beraten, wie es weitergehen kann.

Die Oberbürgermeisterwahl am 11. März jedenfalls ist schon jetzt gelaufen. Nutznießer ist der Kandidat der Union, der amtierende Stadtkämmerer Helmut Müller (CDU), der die Vorgänge bei der SPD „staunend zur Kenntnis genommen“ hat. Für den Generalsekretär der hessischen Union, Michael Boddenberg, ist die Panne „bezeichnend für den Zustand der hessischen Sozialdemokraten“. Dort gehe nichts mehr.

Die SPD versuchte am Wochenende noch, dem als Wahlleiter fungierenden Unionsdezernenten Peter Grella eine Mitschuld an der nicht fristgerechten Anmeldung der Kandidatur von Roth zu attestieren. Noch am Montag habe er mit Grella konferiert, berichtete Pighetti. Doch Grella habe ihn mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass die Unterlagen von Roth noch fehlten. Grella sagte dazu, dass er geschwiegen habe, weil er sonst seine „Neutralitätspflicht als Wahlleiter verletzt“ hätte.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT