Treueschwüre mit Hintertürchen

Stoiber ist zu einem Gespräch mit Gegnerin Pauli bereit. Doch ob es nutzt? Selbst seine offiziellen Unterstützer entdecken „Abnutzungserscheinungen“

VON LUKAS WALLRAFF

Nun also doch. Edmund Stoiber ist zu einem Treffen mit seiner Kritikerin bereit. „Unabhängig von unterschiedlichen Meinungen“ wolle er mit der Fürther Landrätin Gabriele Pauli „ein persönliches Gespräch führen“, teilte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef am Wochenende mit. „Ich werde ihr anbieten, konstruktiv mitzuarbeiten“, säuselte Stoiber, und man kann nur erahnen, wie viel Überwindung ihn dieser Satz kostete.

Unmittelbar vor der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kreuth, die heute beginnt, sah sich der einst übermächtige Parteipatriarch erneut gezwungen, seine Haltung zu korrigieren und ein weiteres Zugeständnis zu machen – nach der Entlassung seines Büroleiters Michael Höhenberger. Nicht genug, dass er seinen langjährigen Weggefährten feuern musste, weil dieser Parteifreunde über Paulis Privatleben aushorchte. Nun muss Stoiber der Landrätin auch noch eine Audienz gewähren, die er wochenlang abgelehnt hatte.

In derselben Sonntagszeitung, in der Stoiber sein Gesprächsangebot offerierte, gab er sich vor zwei Wochen noch knallhart. Zu dem Vorwurf Paulis, in der CSU gebe es ein Spitzelsystem, sagte Stoiber damals in der Bild am Sonntag, solch ein Vorwurf könne „nur aus einer bösen Ecke“ kommen. Also aus Fürth. Pauli, so Stoiber, habe „keine Chance“. Auch nicht auf einen Termin bei ihm. Nun also doch. Ob es noch hilft, ist fraglich.

Eigentlich verlangt die Tradition der CSU gerade im Januar: Stärke zeigen, draufhauen. Bei der alljährlichen Klausurtagung in Wildbad Kreuth geht es nach christsozialem Politikverständnis darum, sich vor malerischer Bergkulisse aufzuplustern, bayerische Entschlossenheit zu demonstrieren und sämtliche Gegner einzuschüchtern. Stoiber aber kann das nicht mehr. Er zeigt, was er seit Wochen zeigt: Schwäche.

Das Gesprächsangebot an Pauli ist dafür nur ein Beispiel. Statt die natürlichen Gegner der CSU wie die SPD-Gesundheitsministerin oder die Türkei zu attackieren, muss er die Bild am Sonntag mit versöhnlichen Worten an die Adresse einer Landrätin aus den eigenen Reihen füllen – ohne Aussicht auf Ruhe oder gar Versöhnung. Pauli reagierte kühl und blieb bei ihrer Forderung: „Stoiber soll 2008 nicht mehr antreten!“ (siehe Interview)

Über das Schicksal Stoibers werden jedoch andere entscheiden. Die Präsidiumsmitglieder der CSU dürften bei ihrer Sitzung heute zwar Stoibers Wunsch erfüllen und eine Mitgliederbefragung zur Aufstellung des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2008 ablehnen. Sie tun dies aber weniger aus Solidarität mit dem angeschlagenen Chef als vielmehr aus Eigeninteresse. Führungsfragen möchten sie auch in Zukunft lieber unter sich auskungeln – ohne die unkalkulierbare Basis fragen zu müssen.

Eine Mehrheit der Bayern und ein Großteil der CSU-Mitglieder unterstützen laut Umfragen die Forderung nach Stoibers Abgang. Für eine Revolte reicht das noch nicht. Die potenziellen Nachfolger belauern sich gegenseitig. Das Fehlen eines klaren Kronprinzen ist Stoibers politische Lebensversicherung. Seine einzige.

Auffällig ist, wie ähnlich sich die Parteigranden verhalten: Keiner will in die Offensive gehen, niemand den Königsmörder spielen. Aber alle verbinden ihre Treueschwüre mit Hintertürchen und kleinen Gemeinheiten. So sagt der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Peter Ramsauer, einerseits: „Die Landesgruppe steht felsenfest hinter Edmund Stoiber.“ Andererseits piesackt er den amtierenden Ministerpräsidenten und Parteichef immer wieder mit dem öffentlich vorgetragenen Hinweis, früher habe der CSU auch eine „Ämtertrennung“ schon „große Erfolge gebracht“. Und jeder weiß: Eine Ämtertrennung würde es wohl nur ohne Stoiber geben – mit zwei Neuen an der Spitze. Einer könnte Joachim Herrmann sein, der Landtagsfraktionschef. Dieser setzt sich dafür ein, dass die Fraktion Stoiber nächste Woche als Spitzenkandidaten nominiert. Nur wie viele Stimmen er da bekommen wird, das könne er nicht sagen. Landtagspräsident Alois Glück wiederum plaudert fröhlich über „Abnutzungserscheinungen“, die es nach 13 Jahren Stoiber gebe. Ramsauer, Herrmann und Glück sind die scheinheiligen drei Könige der CSU. Sie stehen offiziell „hinter Stoiber“. Aber vielleicht nur, um ihm irgendwann den letzten Tritt zu geben. Etwa, falls die Umfragen auch vor dem Parteitag im Herbst noch so miserabel für ihn ausfallen sollten.