Späte Reaktion des Vatikans

Bischof Wielgus war umstritten, es gab reichlich Gerüchte. Und er war dennoch der Wunschkandidat des Papstes

ROM taz ■ Papst Benedikt XVI. war gestern Morgen gerade in der Sixtinischen Kapelle mit dem Taufen einiger unschuldiger Kinder befasst, als ein dürres Kommuniqué des Vatikans vorläufig den Schlusspunkt unter die Frage setzte, wie viel Schuld nun der spitzelnde Bischof Stanisław Wielgus auf sich geladen hat. „Angenommen“ habe der Heilige Vater das Rücktrittsgesuch des eben erst Erzbischof von Warschau Gewordenen, hieß es knapp.

Von einem Tag auf den anderen ließ Papst Ratzinger damit den Mann fallen, an dem er zunächst auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe festgehalten hatte. Wielgus war nicht der bevorzugte Kandidat der polnischen Kirche für das Bischofsamt gewesen: Im letzten Jahr hatte Ratzinger eine von der polnischen Bischofskonferenz vorgelegte erste Vorschlagsliste mit drei Kandidaten – deren Namen nicht bekannt gegeben wurden – ablehnend beschieden. Erst aus einer zweiten Dreierliste hatte er dann Wielgus ausgewählt.

In Rom wird jetzt die Frage gestellt, wie viel die Kongregation für die Bischöfe – jenes Vatikan-Ministerium, das eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Würdenträger spielt – und der Papst selbst von Wielgus' Vergangenheit gewusst haben. Der Corriere della Sera kolportierte gestern, der Nuntius des Heiligen Stuhls in Warschau habe Informationen über die sich um den Bischofskandidaten rankenden Gerüchte schon vor deren öffentlichem Bekanntwerden nach Rom weitergeleitet. Anonyme „Vatikan-Stimmen“ hätten deshalb am Samstag, nur wenige Stunden vor dem dann erfolgten Rückzug, wissen lassen, Wielgus habe mit seiner öffentlichen Selbstbezichtigung „übertrieben“. Schließlich war es Ratzinger selbst, der auf seiner Polenreise im letzten Mai in einer Predigt den dortigen Klerus aufgefordert hatte, sich mit Blick auf die Vergangenheit unter dem Kommunismus einer „strengen“, aber auch einer „gelassenen“ Prüfung zu unterziehen.

Am frühen Nachmittag dann teilte gestern Vatikan-Sprecher Federico Lombardi mit, Wielgus' Rückzug sei die „adäquate Entscheidung“, da der Bischof mit seinem Verhalten in kommunistischer Zeit seine „Autorität kompromittiert“ habe. Nichts zu sagen hatte Lombardi dagegen zu der Frage, wieso der Vatikan erst in letzter Minute umgeschwenkt war. Stattdessen erging sich der Vatikan-Sprecher in dunklen Andeutungen über einen „Rachefeldzug“, dessen Opfer nun die katholische Kirche in Polen sei. MICHAEL BRAUN