Der Pastorale

Berthold Bose ist neuer Landeschef der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Er wurde am Montag auf einer außerordentlichen Landesbezirkskonferenz gewählt – mit 92,2 Prozent der Stimmen. Der 50-jährige Westfale und bisherige Ver.di-Fachbereichsleiter Banken und Versicherungen war zuvor vom Landesvorstand einstimmig nominiert worden. Bose soll als Kompromiss-Kandidat die Gräben überbrücken, die sein Vorgänger Wolfgang Abel nach seinem nur zweijährigen Intermezzo an der Spitze der größten Hamburger Einzelgewerkschaft hinterlassen hat.

Der ehemalige Postgewerkschafts-Chef Abel führte das pluralistische Ver.di-Konstrukt aus ehemals fünf Einzel-Gewerkschaften wie das Zentralkomitee einer Partei. Am zuständigen Fachbereich für Energie vorbei setzte er ein Seminar an, in dem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) als Hauptreferent gegen den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Strom, Gas und Fernwärme-Netze mobilisierte. Weil der Fachbereich „Besondere Dienstleistungen“ die Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe in die Gewerkschaft aufgenommen hatte, mahnte Abel den Leiter ab.

Mit Berthold Bose hofft Ver.di nun auf einen Neuanfang, bei dem Konflikte wieder inhaltlich und nicht administrativ ausgetragen werden. Bose ist zwar auch Sozialdemokrat, gilt allerdings auch kritischen Positionen gegenüber als aufgeschlossen. „Er ist kein Polterkopf, sondern hat eher eine pastorale Art“, sagt ein Linken-Mitglied in Ver.di. Bose, der seine Arbeit bisher eher still gemacht hat, hat die Unterstützung aller Fachbereichsleiter und steht zur Aufnahme der Lampedusa-Flüchtlinge.

Entscheidend werde sein, ob Bose in seiner neue Funktion gewerkschaftlichen Grundsätzen treu bleibe und sich nicht vom SPD-Senat vereinnahmen lasse, wie es der früher DKP-nahe Abel zuletzt getan habe, so eine Funktionärin. Abel hatte bei Ver.di zuletzt verfügt, dass die umstrittene Elbvertiefung nur noch „Fahrrinnenanpassung“ genannt werden durfte – ganz im Jargon der Handelskammer.  KVA