LESERINNENBRIEFE
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Wie kam Schäuble an die Macht?

■ betr.: „Vier Wege zur Macht“, taz vom 28. 6. 14

Anja Maiers Bericht über vier mächtige Politikerinnen gefällt mir, daran habe ich nichts auszusetzen. Aber an der Titelseite! Das ist ja nun das Erste, was man liest: Stellt euch vor, wir haben vier Frauen gefunden, die verschieden sind! (Subtext: Die Weiber sind doch alle gleich!) Und sie haben wahrhaftig auch noch vier verschiedene Strategien angewendet, um an die Macht zu gelangen! (Subtext: Männer, hier könnt ihr ihnen in die Karten gucken, damit so was nicht mehr vorkommt.)

Beim Anblick dieser Seite dachte ich als Erstes: Wer würde denn denselben Text mit vier Männern – sagen wir Gabriel, Schäuble, Oettinger, Gysi – auch nur in Betracht ziehen? Wer hat mir je erklärt, wie Schäuble an die Macht gekommen ist und sich sogar dort hält? Wer käme auf die Idee? Schäuble wird bewundert oder attackiert oder beschwiegen, aber seine Machtstrategien sind kein Thema. Wie lächerlich und herabsetzend, so was für Frauen in den Vordergrund zu stellen. BARBARA HÖHFELD, Frankfurt am Main

Kopf einer imperialistischen Hydra

■ betr.: „Zeitgeschichte. Die Tragik des Moments“,sonntaz vom 28. / 29. 6. 14

Was mir in dem ansonsten sehr guten Artikel von Annika Mombauer fehlt, ist der Grund, warum es überhaupt einen Gegensatz zwischen der K.u.k.-Monarchie und den Serben gab. Dementsprechend erscheinen die Serben auf verschwommene Weise unsympathisch, der Thronfolger hingegen eher sympathisch. Das aber ist zu einfach.

Unter dem Stichwort „Trialismus“ versuchte der K.u.k.-Staat, seine Nationalitätenprobleme durch Bildung eines dritten, slawischen Reichsteils zu mildern. Franz Ferdinand war ein Verfechter dieser Strategie und dabei insbesondere der jugoslawischen Variante, also der Kroaten als drittem „Herrenvolk“. Das mittelfristige Ziel war die Schwächung Serbiens, das langfristige gar, eine ideologische Plattform zu schaffen, auf der man die slawischen Gebiete des Balkans komplett vereinnahmen konnte, natürlich alles schön unter habsburgischer Herrschaft. Franz Ferdinand war daher aus serbischer Sicht der Kopf einer imperialistischen Hydra, noch dazu einer besonders rückständigen, die das mittelalterliche Prinzip dynastischer Herrschaft verkörperte (im Gegensatz zu der der Nationalismus ja immerhin die Möglichkeit der Demokratisierung in sich trug).

Auch wenn man diese Perspektive nicht teilen muss, so war doch Franz Ferdinand in jedem Fall einer, den man später vielleicht als „Kalten Krieger“ bezeichnet hätte, während Gavrilo Princip und Co. ihren militanten Einsatz durchaus als einen zugunsten von Modernisierung und Liberalisierung verstanden.

FLORIAN SUITTENPOINTNER, Köln

Augenwischerei

■ betr.: „Lohnuntergrenze. Extrawürste beim Mindestlohn“,taz vom 28. 6. 14

Erneut werden die Wahlversprechen der SPD, wie schon beim EEG, nicht eingehalten. Der Mindestlohn als unverzichtbare Forderung in die Koalitionsverhandlungen eingebracht und schon im Koalitionsvertrag reduziert, wird immer weiter eingeschränkt über sogenannte Ausnahmen, die eine Kette von weiteren Begehrlichkeiten unterschiedlichster Branchen nach sich zieht. Und das nur, um der Augenwischerei – es gibt einen Mindestlohn – recht zu geben. Dabei ist es egal, dass es weiter die Ausbeutung von Menschen geben wird, da das entsprechende Geschäftsmodell genau darauf ausgerichtet ist, geringste Löhne zu zahlen, die der Steuerzahler dann über die Finanzierung der Aufstockung subventioniert.

Weiter ist es allem Anschein nach egal, ob das Gesetz in dieser Form – mit den Ausnahmen – überhaupt der Verfassung (Gleichheitsgebot) entspricht. Aber über allem steht „die Marktwirtschaft“, die wie in diesem Fall mit kommunistischen Maßnahmen erhalten werden muss. Denn in der freien Marktwirtschaft, die so oft beschworen wird, verschwinden Firmen vom Markt, wenn sie nicht über ausreichend Kapital verfügen, um den Faktor Arbeit zu finanzieren.

ALBERT WAGNER, Bochum

Niemand braucht so eine SPD

■ betr.: „Energiewende. Glauben statt verstehen“, taz vom 27. 6. 14

Herr Gabriel hat es also geschafft, das Einspeisungsgesetz abzuwürgen – und ist auch noch stolz drauf.

Wesentlich war in der Tat die Verschiebung der Kompetenz weg vom Umweltministerium hin zum Wirtschaftsministerium. Weg von Zukunftsvorsorge hin zur Gier. Man dachte eigentlich, die FDP-Denke sei mit der Partei verschwunden. Aber: Mithilfe von als Journalisten getarnter Mietmäuler wird der Öffentlichkeit eingeredet, dass das alles zu teuer sei, und am besten bleibt alles so, wie es ist. Das EEG sei schuld! Dabei wissen die meisten Leute nicht mal ungefähr, wie viel sie eigentlich für ein Kilowatt Strom zahlen – mag jeder selbst mal überprüfen.

Man muss aber nicht auf die RWE-&-Co-hörigen SPD-Minister warten, um zu einer sinnvollen Stromversorgung zu kommen. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach lohnt immer, da die Eigenversorgung bei Helligkeit schon mehr als garantiert ist. Jetzt braucht man nur noch auf erschwingliche Stromspeichergeräte zu warten und dann nachzurüsten, und die dezentrale Stromversorgung ist perfekt.

Niemand braucht so eine SPD. Und offensichtlich hat die Merkel-Partei da eh nichts Sinnvolles beizusteuern, sodass man es einfach selbst machen kann. UWE BARKOW, Frankfurt am Main