SPD verliert Kronprinzen

Garrelt Duin sagt Nein zu Niedersachsen: Der Landesparteichef, der als Hoffnungsträger für die Zeit nach 2008 gegolten hatte, will in Berlin bleiben. SPD-Fraktionschef Jüttner trägt die Entscheidung mit

von Kai Schöneberg

Der Spitzenkandidat steht auf und geht. Kommentarlos verlässt Wolfgang Jüttner an diesem Montag Morgen eine gut besuchte Pressekonferenz zum Transrapid-Untersuchungsausschuss, um zu einem Neujahrsempfang zu gehen. Böse Zungen aus den eigenen Reihen behaupten, dass der SPD-Fraktionschef, der in fast genau einem Jahr Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bei den Landtagswahlen besiegen will, Fragen über einen schweren Schlag ausweichen wollte. Gerade war bekannt geworden, dass Garrelt Duin auf eine Kandidatur für ein Landtagsmandat bei den Wahlen am 27. Januar 2008 verzichtet. „Nach Abwägung aller Argumente“, teilt der Bundestagsabgeordnete und SPD-Landeschef in einem Brief an Mandatsträger in seinen Wahlbezirken Aurich und Emden mit, sei er „zu dem festen Entschluss gekommen, meine Aufgabe in Berlin weiterhin und über 2008 hinaus wahrzunehmen“.

Mit dem Nein zu Niedersachsen stehen die Sozialdemokraten für die Post-Jüttner-Ära ohne „Kronprinz“ da. Der 58-Jährige wäre im Fall einer Wahlniederlage beim nächsten Urnengang im Jahr 2013 zu alt, um erneut in die Bütt zu steigen – gerade ist der schnauzbärtige Kumpeltyp Jüttner Großvater geworden. Duin ist dagegen erst 38, ein Womanizer mit Wirtschaftskompetenz, coolen Sprüchen und Drei-Tage-Bart. Bislang hatten Beobachter vermutet, dass Duin einen festen Platz im Schattenkabinett Jüttners habe, um im Fall einer verlorenen Wahl zum Oppositionsführer aufzusteigen. Ohne Landtagsmandat wird daraus nichts. Duin rechnet sich offenbar mehr Karrierechancen in Berlin als in Hannover aus. Und auch viele in der Landespartei glauben an schwere Zeiten für die SPD.

Allerdings war Duin auch in einem Dilemma: Hätte er seine Kandidatur für ein Landtagsmandat erklärt, hätte das „insbesondere der Presse“ die Möglichkeit gegeben, „immer wieder zu spekulieren, wer denn die oppositionelle Fraktion nach der Wahl führen würde“, schreibt Duin. Das hätte „uns alle vom eigentlichen Ziel, nämlich dem Sieg 2008“, abgelenkt. Zudem war die Basis im eigenen Wahlkreis unruhig geworden, da Duin erst 2005 vom Europaparlament in den Bundestag gewählt worden war. Den Vorwurf des „Parlaments-Hoppings“ wollte sich der derzeitige Chef des SPD-Bezirks Weser-Ems nicht einhandeln.

Jüttner betonte gestern auf Nachfrage, er trage „die Entscheidung Duins uneingeschränkt“ mit und habe davon bereits am Samstag auf der SPD-Klausurtagung in Bremen erfahren. Also keine Flucht vor Journalisten. Außerdem gehe es im laufenden Wahlkampfjahr ausschließlich darum, Regierungschef Wulff zu stürzen, nicht um Nachfolgeregelungen. Jüttner: „Wir küren einen König, da braucht’s keinen Kronprinzen.“

Bei der laufenden Abstimmung für die Landesliste zeichne sich ab, dass die SPD 2008 „eine Reihe guter Leute in den Landtag“ schicken werde, sagte Jüttner. Bei der Wahl im Februar 2003 war die Partei nicht nur grandios auf 33,4 Prozent abgestürzt, sondern hatte auch nur fünf Wahlkreise direkt gewonnen. Dadurch kamen viele Listenkandidaten unverhofft ins Parlament. Auch intern wird die Qualität einiger Fraktionäre als „optimierbar“ bezeichnet. Derzeit rangeln die Sozen erbittert um die Liste, die am 30. Juni auf einem Parteitag beschlossen werden soll. Es wird eng, weil die Zahl der Parlamentarier von derzeit regulär 155 auf 135 sinken soll. Die Schar der ministrablen Sozialdemokraten bleibt weiter dünn: Für ein Schattenkabinett als gesetzt dürften Gabriele Andretta (Wissenschaft), Dieter Möhrmann (Finanzen) und Heiner Bartling (Inneres) gelten.