STOIBER KANN SEINEN AUTORITÄTSVERLUST NICHT MEHR ÜBERTÜNCHEN
: Klimawandel in Bayern

Es ist keine Überraschung, dass sich die CSU-Spitze hinter ihren Parteichef und Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gestellt hat. Alles andere hätte seinen sofortigen Rücktritt bedeutet und einen offenen Machtkampf ausgelöst, für den sich noch keiner seiner Hintersassen gewappnet fühlt. Der einzige namhafte Politiker, der sich in den letzten Tagen eindeutig für Stoibers Verbleib ausgesprochen hat, war Gregor Gysi. Die CSU-Kollegen sprechen lieber über Abnutzungserscheinungen, Abstimmungsprobleme oder Ämtertrennung – und sie meinen das nicht ironisch. Stoibers Autorität schmilzt dahin wie der Schnee in Wildbad Kreuth.

Aber wenn es darauf ankommt: Bekommt Stoiber nicht immer noch, was er möchte? Wie gewünscht hat das Parteipräsidium eine Mitgliederbefragung zur Kür des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl abgelehnt. Das aber war vor allem ein Votum gegen die Einführung der Basisdemokratie in der CSU. Die Fortsetzung seiner Alleinherrschaft hat Stoiber auch dann noch nicht gesichert, wenn sich die Landtagsfraktion nächste Woche für seine Kandidatur ausspricht. Bemerkenswert daran ist vor allem, dass er das Vertrauensvotum mitten in der Legislaturperiode nötig hat.

Die Perspektive, aus der die Politik in Bayern betrachtet wird, hat sich komplett umgedreht. Früher warteten alle gebannt, was Stoiber sagt. Jetzt muss er abwarten, was die Kollegen sagen. Eine Mitgliederbefragung mag er verhindern können, Umfragen nicht. Am Ende werden demoskopische Werte den Ausschlag geben. Zum „Schadbär“, der abgeschossen werden muss, wird Stoiber, sobald die CSU unter 50 Prozent fällt.

Stoibers Demontage bedeutet eine Zäsur für Bayern. Das Ende einer Illusion. Durch sein kraftvolles Auftreten und seine Kanzlerkandidatur war es Stoiber lange gelungen, den Bedeutungsverlust der CSU zu kompensieren, den die Partei durch die Wiedervereinigung erlitten hat. Die teilweise fast schon absurde Überhöhung Bayerns wird in absehbarer Zeit niemandem mehr gelingen. Die CSU muss ihre neue Rolle finden – als Partei aus einem von 16 Bundesländern. LUKAS WALLRAFF