„FÜR ALLE MUSLIME“
: Siegen für den Islam

Von Justus Hagemann

Dieser Erfolg ist für alle Algerier auf der ganzen Welt, für alle Araber und alle Muslime“, teilte Algeriens Top-Stürmer Sofiane Feghouli mit, nachdem er und sein Team das Achtelfinale erreicht hatten. Es mag in säkularen Ländern wie in Mitteleuropa befremdlich wirken, sich als Spieler für eine ganze Religionsgemeinschaft zu inszenieren. Aber vermutlich hat Feghouli einfach recht, wenn er konstatiert, dass ein Großteil der bekennenden Muslime weltweit bei diesem Turnier hinter Algerien stand – zumindest die, die dem Fußball gewogen sind.

Der saudi-arabische Scheich Abdul Rahman al-Barrak gehört mit Sicherheit nicht dazu. Er hat in diesem Jahr ein religiöses Rechtsgutachten veröffentlicht, in dem es kristallklar heißt, dass der Fußball eine Verschwendung von Energie, Geld und Zeit sei und man mit dem Getrete die „Gewohnheiten der Feinde des Islam“ annehme. Die Befolgung seiner Fatwa scheint sich allerdings in Grenzen zu halten – selbst auf der Arabischen Halbinsel. Die Anziehungskraft dieses Männersports ist – von Dubai über Mekka, Tunis bis nach Casablanca – viel zu groß.

Dass sich Fußball und Islam ausschließen, dürfte auch in islamischen Theologenkreisen eh nur eine Minderheitenmeinung sein, denn nicht nur die algerische Équipe dieser WM, deren Mitglieder nach Toren ebenso kniend beteten, wie sich manch katholischer Christ bekreuzigt, zeigten, dass Religionsausübung und Weltmeisterschaft gut zusammengehen. So wurde beim Turnier 2006 in Deutschland für das saudi-arabische Team extra ein Raum im hessischen Hotel zum Gebetsraum umfunktioniert, damit auch sie fünfmal am Tag beten können.

Dass es vielen westlichen Beobachtern überhaupt ins Auge fällt, wenn algerische Spieler auf dem Platz beten oder algerische Fans auf den Tribünen Allah um Hilfe anflehen, ist wohl eher unseren Sehgewohnheiten geschuldet als der tatsächlichen Besonderheit dieser Gesten. Die gefalteten Hände vor und während eines Elfmeterschießens sind wir halt längst gewöhnt, genauso wie das Bekreuzigen beim Betreten des Feldes, nach einem Tor, beim Verlassen des Feldes – und in jedem sonst denkbaren Moment.

Was aber bei dieser WM Premiere hatte, war, dass die Fernsehkameras, die auf den Stadionrängen nach Motiven als Bildfutter suchten, algerische Fans in den Fokus rückten, die inbrünstig ihre Handinnenflächen zur Anrufung Allahs ausbreiteten. Das hatte etwas von, nun ja, Anmut!