„Sie haben mich ausspioniert!“

Geschäftsideen unserer Zonis. Heute: der Plauener Plattenüberspieler. Ein Wahrheit-Interview mit dem ostdeutschen Kassettenrekorder-Experten Hermann-Günther Wenger

taz: Herr Wenger, Sie haben nach der Wende die Hände nicht in den Schoß gelegt, sondern eine Firma gegründet und sich prompt Ärger eingehandelt mit dem Patentamt.

Hermann-Günther Wenger: Ich verstehe das bis heute nicht. Meine Idee ist revolutionär.

Erzählen Sie uns doch bitte etwas darüber.

Kein Problem. Wie alt sind Sie?

Jahrgang 1962.

Dann kennen Sie doch noch die alten Plattenspieler.

Allerdings.

Und auch die Kassettenrekorder von damals …

Ja, natürlich! Welcher Mensch, der sie erlebt hat, könnte jemals die Epoche vergessen, als die Tonträger großenteils unsortiert in den Fußmulden fahrbarer Untersätze herumkugelten, die Spitznamen wie „Ente“ oder „Käfer“ trugen?

Ich habe herausgefunden, dass man die Musik von den alten Platten mit einem technischen Trick auf Hörkassetten überspielen kann. Man muss da bei den altertümlichen Geräten von Ebay oder vom Flohmarkt nur ein paar Schalter betätigen, wenn man die Kabelverbindung zu einem Plattenspieler hergestellt hat, und schwupps, schon hat man die Plattenaufnahme auch auf Kassette. Aber das Patentamt hat mir die kalte Schulter gezeigt.

Können Sie den technischen Trick näher erläutern?

Können könnte ich das schon, aber damit würde ich ja gleichsam den Ast absägen, auf dem ich eines Tages meinen Ruhestand verbringen möchte. Was Sie hier betreiben, ist kein investigativer Journalismus mehr, sondern Industriespionage! Sind Sie von der Stasi?

Nein. Herr Wenger, ist Ihnen bekannt, dass Millionen Jugendliche im christlichen Abendland einst unzählige Kassetten bespielten, indem sie einen Rekorder mit einem Plattenspieler verkabelten oder Geräte nutzten, in denen das bereits serienmäßig geschehen war, und anschließend eine Platte aufgelegt und die Tasten „Record“ und „Play“ gedrückt haben?

Woher wissen Sie das?

Aus eigener Erfahrung.

Nein! Das hat Ihnen der Teufel gesagt! Sie haben mich ausspioniert! Ich werde Sie verklagen, Sie Schweinehund! Da können Sie Gift drauf nehmen!

Das haben schon ganz andere versucht und vor Gericht den Kürzeren gezogen, Herr Wenger. Lassen Sie’s gut sein. Wir danken Ihnen für Ihren Gefühlsausbruch.

Gern geschehen. Darf ich noch was sagen?

Wenn’s unbedingt sein muss …

Ich grüße meine Kusine Mildred in Königs Wusterhausen und sämtliche Mitglieder des Plauener Kegelvereins „Alle Neune“ sowie die Nachfahren des Erfinders Thomas Alva Edison, in dessen Fußstapfen beziehungsweise, besser gesagt, auf dessen Schultern ich, also meine Wenigkeit, äh … äh …

Schon verstanden. Viel Erfolg weiterhin, Herr Wenger.

INTERVIEW: GERHARD HENSCHEL