Manche Studierende müssen draußen bleiben

Uni absurd in Furtwangen. Da wird ein topmoderner Neubau hingestellt – aber vier von fünf Studenten dürfen nicht rein. Bittbrief nach Stuttgart

Gerd Kusserow sagt es so: „Wir wollen am liebsten in Ruhe gelassen werden!“ Der Kanzler der Fachhochschule Furtwangen, höchstgelegene Hochschule Baden-Württembergs, hat genug Fernsehteams und Reporter den Berg heraufkommen sehen. Zur Abwehr des Medieninteresses hat das Rektorat mit einigen der 2.300 Studierenden einen Brief ins ferne Stuttgart geschickt: Bitte helft uns, eine Lösung zu finden für unser Problem.

Das Problem ist außen schick, innen Hightech und heißt „I-Bau“: der Neubau für Informatik. Zwölf Millionen Euro hat er gekostet, gezahlt hat die gemeinnützige Landesstiftung. „Gemeinnützig“ wird in diesem Fall allerdings eigentümlich interpretiert: Weil die Stiftung laut Satzung nur „innovative Projekte“ und nicht etwa bereits bestehende Studiengänge fördern darf, gibt es Ärger: Studenten von Online-Medien, Wirtschaftsnetzen und Computer Science in Media dürfen rein – die der artverwandten Medieninformatik und alle anderen nicht. Kurzum, rund 2.000 Furtwangener Studenten haben Zugangssperre für den Neubau. Nicht mal die Parkplätze vor der Tür sind offen für sie. Der topmoderne Bau ist für sie eine No-go-Area, und das nicht, weil ein Beamter verrückt spielt, sondern weil die Regeln so sind, wie sie sind.

„Ich nehme an, dass man diese Finanzierungsfrage nicht bis ins letzte Detail durchdacht hat“, sagt Kanzler Kusserow vorsichtig. „Scheiße ist das“, poltert Studentensprecher Christian Geiger. „Unsere Medieninformatiker sitzen in alten Hörsälen und haben nebenan neueste Technik – die sie nicht nutzen dürfen.“ Und das an einer Uni, die sich Interdisziplinarität auf die Fahnen geschrieben hat.

Den Ärger über Bestimmungen samt absurder Auswüchse fressen die Studenten nicht in sich hinein. Zur Einweihung des I-Baus organisierten sie die erste Furtwangener Studentendemo überhaupt. 250 waren gekommen, mit Friedhofskerzen.

Die Hoffnung stirbt auch im Schwarzwald zuletzt: „Die Landesstiftung darf nur Innovationen fördern. Aber das ist letztlich juristische Auslegungssache“, bittet der Nachwuchs um Nachsicht im Finanzministerium.

Zumindest die FH-Leitung haben die Studenten hinter sich. Kanzler Kusserow teilt mit, er werde den I-Bau nicht zum Hochsicherheitstrakt ausbauen. „Wir fragen die Regierung, was denn wäre, wenn zehn Prozent der Hörer nicht in einem der drei geförderten Studiengänge eingeschrieben sind“ – im interdisziplinären Furtwangen Alltag.

Nun hofft die Fachhochschule, dass Ministerium und Landesstiftung die Nutzungsbestimmungen moderat auslegen. Stuttgart sendet Signale für einen Kompromiss. Den Wünschen der FH könne in großem Umfang stattgegeben werden, heißt es im Finanzministerium. Das bedeutet: Auch Studenten aus anderen Fächern dürften in den schicken Neubau – wenn die Vorlesung im Rahmen der geförderten Studiengänge stattfände.

Den Kanzler wird’s freuen: „Wir wollen zum Tagesgeschäft übergehen.“ Ganz leise schiebt er nach, dass die FH auch auf weitere Neubauten spekuliert. Dann aber, so bleibt zu hoffen, zugänglich für alle Furtwangener Studenten. JAN GEORG PLAVEC