Kleine Teilchen, große Bedenken

NANOSTOFFE Minipartikel sind in immer mehr Alltagswaren. Die „Nano-Kommission“ der Bundesregierung fordert ein Produktregister. Umweltschützer fürchten, dass die Technik Mensch und Natur schädigt

BERLIN taz | Die Kommission der Bundesregierung zur Nanotechnologie hat gefordert, die Fördermittel für die Erforschung von Risiken der winzigen Teilchen in Produkten deutlich zu erhöhen. Das geht aus dem am Mittwoch vorgestellten Abschlussbericht des Gremiums hervor, in dem 100 Experten aus Wissenschaft, Unternehmen, Umweltverbänden und Behörden über die neue Technik diskutierten.

Vor allem müssten Forschungslücken zu Wirkungen der Teilchen über deren gesamten Lebenszyklus geschlossen werden. Dabei müsse es besonders auf die verbrauchernahen Anwendungsbereiche und die Auswirkungen von Nanomaterialien auf die Umwelt gehen, heißt es in dem Bericht. Außerdem müssten Testverfahren etwa für Lebensmittelkontrollen an Nanomaterialien angepasst werden.

Die Kommission regt weiterhin an, auf Nanotechnik basierende Stoffe in das europäische Erfassungs- und Zulassungssystem für Chemikalien, REACH, einzubeziehen. Nanokosmetik müsse der EU-Kommission gemeldet und gekennzeichnet werden.

Gegen eine generelle Kennzeichnung von Nanomaterial hatte sich kürzlich Umweltbundesamtschef Jochen Flasbarth in der FAZ ausgesprochen. Ein Hinweis auf Nanoteilchen könne bei den Verbrauchern den Eindruck erwecken, dass das Produkt die Gesundheit schädigen könne, so Flasbarth. Anspruch müsse aber sein, dass nur sorgfältig geprüfte und daher unbedenkliche Waren in Umlauf kämen. Allerdings fordert Flasbarth ein öffentlich zugängliches Nano-Produktregister.

In rund 200 Alltagsprodukten finden sich die winzigen Partikel schon, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ermittelt. In der Datenbank der Umweltorganisation finden sich Waren von Zahnpasta über Wandfarbe bis Bettwäsche.

Patricia Cameron, die für den BUND in der Nanokommission diskutierte, zieht eine ernüchternde Bilanz der Arbeit. „Alltagsprodukte mit Nanomaterialien werden in Deutschland weiterhin ungebremst vermarktet“, kritisiert Cameron, „dabei gibt es immer mehr Hinweise auf mögliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken“. Die Schere zwischen Risikoforschung und Vermarktung klaffe heute weiter auseinander als zu Beginn der Arbeit der Nanokommission.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verwies zwar auf den Bedarf an Risikoforschung, betonte aber auch die Wachstumschancen der Technik. Mehr als 900 Betriebe arbeiteten mit Nano, 60.000 Arbeitsplätze seien entstanden. Vor allem in der Trinkwasseraufbereitung, der Energieeinsparung und der Aufbereitung verunreinigter Böden sieht er Einsatzmöglichkeiten.

HEIKE HOLDINGHAUSEN