Zwangsmedikation gefordert

GEFÄHRDUNG Maßregelvollzug will psychisch kranke Straftäter gegen ihren Willen ruhigstellen dürfen

Praktiker des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter fordern, gefährliche Patienten auch gegen deren Willen mit Medikamenten behandeln zu dürfen. Seit das Bundesverfassungsgericht 2011 die Zwangsmedikation verboten hat, sei die Zahl der schweren Angriffe auf das Personal gestiegen, sagte der ärztliche Direktor des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen in Moringen, Dirk Hesse, am Mittwoch bei einem Besuch der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD).

Pro Jahr gebe es bis zu 20 Attacken mit zum Teil schweren Verletzungen, sagte Hesse. In der Moringer Einrichtung und deren Außenstellen sind mehr als 400 psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter untergebracht. Ein Viertel der Patienten leide unter Psychosen. Sie seien Kandidaten für eine Medikation, sagte Hesse. Ohne Medikamente bleibe oft nur die Fixierung, um eine Eigen- oder Fremdgefährdung zu verhindern.

Während eines Rundgangs stellte Hesse das Konzept des Zentrums vor. Anders als in einer regulären Justizvollzugsanstalt wirkt hier selbst der Hochsicherheitsbereich relativ behaglich. Die Fenster haben keine Gitter. Es gibt keinen Stacheldraht. Die Höfe sind begrünt und gut gepflegt. „Auf Sicherung verzichten wir trotzdem nicht“, sagte Hesse. Die Sicherungen seien aber „optisch so veredelt, dass sie nicht negativ auf die Psyche der Patienten wirken“.

Der Maßregelvollzug ziele darauf ab, die Patienten durch ein vielfältiges Angebot auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, sagte Hesse. Dazu gehörten Psycho- und Arbeitstherapie, das Leben in Wohngruppen und die Chance, Schulabschlüsse zu machen.

Sozialministerin Rundt kündigte zum Jahresende ein neues Maßregelvollzugsgesetz an. Wenn der niedersächsische Landtag zustimme, sei es wieder möglich, gefährlichen Patienten nach strengen Vorgaben und unter Einbeziehung von Sachverständigen gegen ihren Willen Medikamente zu geben.  (dpa)