THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Überall weltkriegt es gerade. Man könnte meinen, die Trunkenheit, mit der die Menschen 1914 in den Krieg gezogen sind, ist noch nicht auskuriert. Einer der großen, wenn auch unvollendet gebliebenen Texte über WWI und das Klima, in dem er sich ereignete, ist Bert Brechts dramatisches Fragment „Der Untergang des Egoisten Fatzer“. Darin geht es um eine Gruppe Deserteure – einer von ihnen heißt Johannes Fatzer –, die auf die Revolution (und eine kommende Gesellschaftsordnung) warten und am Ende an internen Konflikten und Fatzers Egoismus zugrunde gehen. Die Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern (und mit welchen Konsequenzen) das Individuum seine Interessen den Interessen der Gemeinschaft unterzuordnen hat, hat Brecht später in seinem Stück „Die Maßnahme“ (für dessen Chöre Hanns Eisler die Musik komponierte) noch radikaler durchexerziert. Es hat immer wieder mehr oder weniger legendäre Inszenierungsversuche des „Fatzer“-Stoffs gegeben. Am Ballhaus Ost kommt diese Woche nun ein weiterer heraus: von Johannes Wenzel, der das Stück in einer stark ritualisierten Form auf die Bühne bringen will. Als Chorleiterin wurde Christine Groß verpflichtet, die sonst im Alleingang als Schauspielerin die Diskurse unter anderem von René Pollesch stemmt (Ballhaus Ost: „Fatzer – Eine Zeremonie“, 3., 5. & 6. 7., jeweils 20 Uhr).

Wie sich die Gesellschaft in die Körper des Einzelnen drückt, untersucht auch die spanische Radikalperformerin Angélica Liddell, die – anders als Brecht – jedoch radikal für das Individuum, noch genauer: für die Frau Partei ergreift, deren Zurichtungen durch die (Männer)-Gesellschaft immer wieder Thema ihrer Stücke sind. In ihrem neuen Stück, das beim Festival „Foreign Affairs“ uraufgeführt wird, geht es um das Mädchen „Tandy“, Protagonistin eines Romans von Sherwood Anderson. „Tandy“ wird für Liddell dabei zur Chiffre für gesellschaftlichen Druck und selbstzerstörerische Überanpassung von Frauen an ebendiesen (Haus der Berliner Festspiele: „Tandy“, 3. & 4. 7. , jeweils um 21.30 Uhr).

Wie also können wir den Einfluss auf unser Leben behalten, wenn die Welt um uns herum zerfällt und das Leben selbst von der Ausrottung bedroht ist? Ja, es ist tatsächlich das Theater und keine religiöse Einrichtung, die eine Antwort auf diese existenzielle Frage zu geben verspricht. Und zwar wiederum bei den „Foreign Affairs“, wo die Lecture-Performance des Laboratory of Insurrectionary Imagination (Labofii) „We have never been here before“ (Er)lösungen verspricht („Haus der Berliner Festspiele: „We have never been here before“, 4. & 5. 7., jeweils 20 Uhr.)