Jetzt mal bitte die Ablösung

Die alten Lieder singt doch keiner mehr, und das ist ja auch egal, weil es immer genug neue gibt, wie das auch beim Hootenanny gedacht war, worunter man in den Sechzigern so ein Singen von Liedern in lockerer Runde verstand, in der man sich den Folksong anprobierte, der damals ja weniger Traditionsware als vielmehr das neue Ding war. „Hootenanny“ ist auch der Titel eines Albums der Replacements, das im Coverbild hübsch einen Hootenanny-Sampler aus den Sechzigern äffte. Die Replacements waren eine Band um Paul Westerberg, die in den Achtzigern so einen ärmelhochgekrempelten Poprock machten mit schneidigen Gitarren, der ganz gut auch durch die Gegenwart käme mit den flott losrockenden Bands, wie man sie wieder mag. Horcht man in das „Hootenanny“-Album rein, findet man unter dem Titel „Mr. Whirly“ versteckt auch ein Pseudo-Cover von „Oh Darling“ plus etwas „Strawberry Fields Forever“. Die Beatles also, denen hier wenigstens parodistisch noch gehuldigt wird.

Die alten Lieder. Manchmal kann man Musikwissenschaft auszählen. Wenn man zum Beispiel bei den Beatles bleibt und deren Debütalbum nimmt, „Please Please Me“, dann hat man insgesamt 14 Lieder, von denen acht von Lennon/McCartney stammen, und der Rest waren Cover-Versionen, zumeist von älteren Rock-’n’-Roll-Hits. Sechs Stück. Und etwas später „Shades of Deep Purple“, 1968, das Debüt von Deep Purple. Acht Lieder. Davon vier Covers. Alter Blues, etwas Rimski-Korsakow und auch „Help“ von den Beatles. Die Stichproben mehr zur Gegenwart hin: „Definitely Maybe“, 1994. Debüt von Oasis. Elf Titel. Keine Coverversion. Oder Franz Ferdinand mit ihrem Debütalbum „Franz Ferdinand“ 2003. Alle elf Titel aus der eigenen Bandwerkstatt.

Das kann jetzt heißen, dass man im Rock einfach kreativer geworden ist mit der Zeit. Oder dass man das Geld zusammenhalten will und sich alle abgehenden Tantiemen verkneift. Wahrscheinlich aber ist alles nur unübersichtlicher geworden, dass sich der Refrain auf einen Kanon gar nicht mehr lohnt, weil ein allgemeiner Referenzrahmen fehlt, in dem man sich bewegt, auf den man sich bezieht, an dem man sich abarbeitet.

Aus allen neuen Lieder werden aber mal alte, und wer will die schon wirklich wegschmeißen. Auch nicht die von den Replacements, die am Donnerstag im Schokoladen mit einem Replacements-Cover-Abend gewürdigt werden, was schon deswegen ausnehmend charmant ist, weil im Namen der Band ja der Ersatz, der Austausch, der Nachfolger eingeschrieben ist.

Und wenn man die Replacements-Geschichte richtig bedenkt, sollten an dem Abend auch die alten Beatles-Lieder als vollgültige Replacements-Cover erlaubt sein. THOMAS MAUCH