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: Der Aal ist schwer zu fassen

Germanische Delikatesse oder wandernder „Zigeunerfisch“? Der Aal war für die Nazis ambivalent

Der Aal ist schwer zu fassen. Und das nicht nur physisch: Lange war der schlangenartige, glitschige Fisch den Biologen ein Rätsel. Weder wie er sich fortpflanzte, noch woher er eigentlich kam, wusste man. Den Nazis war der Aal deswegen suspekt. In einer bezeichnenden Übertragung gesellschaftlicher Topoi assoziierten sie ihn wahlweise mit „wimmelnden“ jüdischen Massen oder, wegen seiner Wanderungsbewegungen von der Karibik bis in unsere Breiten, mit „unsteten Zigeunern“.

Andererseits war der volkstümliche Fisch beliebt – und wurde wegen seines Fettgehalts zur kriegswichtigen Ressource. Er wurde deshalb zur „germanischen Delikatesse“ stilisiert, die auch bei Banketten im Führerhauptquartier nicht fehlen durfte. Gleichzeitig wurde die Crème der deutschen Aalforscher wegen ihrer jüdischen Wurzeln aus dem Amt gedrängt. Sie bewegten sich übrigens in prominenter Gesellschaft: Auch Sigmund Freud befasste sich in seiner frühen Forschung mit dem Aal.

Dietmar Bartz, kürzlich von der taz zur deutschen Vanity Fair gewechselt, hat über den Aal im Nationalsozialismus seriöse sozialwissenschaftliche Forschung betrieben und ein taz-Dossier veröffentlicht. Mit dem Zoologen und Schriftsteller Heiko Werning hält er heute Abend den Lichtbildervortrag „Aale im Nationalsozialismus“. JANK

Heute, 20 Uhr, taz salon, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73, Eintritt 3 Euro