HARTES SPIEL BEI DER WM
: Der Pitbull ist wieder da

Von OLE SCHULZ

Bei der WM in Südafrika war der Holländer Nigel de Jong nach seinem ungeahndeten Kung-Fu-Tritt gegen die Brust Xabi Alonsos im WM-Finale der große Buhmann. In Brasilien ist er auf einmal der wichtige Mittelfeldanker der „Oranje“ – seine Zweikampfwerte sind so überragend wie seine Passquote.

Die Rehabilitierung de Jongs steht beispielhaft für den Trend zu einem körperbetonteren, athletischeren Fußball. Bewusst arbeitet er mit ständigen Nickligkeiten, und seine Protagonisten sind oft von oben bis unten tätowierte „Bad Guys“ wie die Chilenen Arturo Vidal („Krieger“) und Gary Medel („Pitbull“).

Ständiges Am-Trikot-Zupfen und -Zerren, bei Ecken Klammergriffe wie beim Ringen, in Zweikämpfen Grätschen mit gestreckten Beinen, die zwar im besten Fall zuerst den Ball treffen, aber die Verletzung des anderen willentlich in Kauf nehmen – all das, gibt’s bei der WM in Brasilien zur Genüge. Doch was das Erstaunlichste ist: Ein Großteil dieser Regelverstöße wird nicht gepfiffen. Dahinter steht anscheinend die Vorgabe, das Spiel möglichst selten zu unterbrechen, um es nicht „kaputtzupfeifen“.

Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift, heißt die dämliche Fußballweisheit. Doch was ist, wenn offensichtliche Fouls eben nicht mehr geahndet werden? Dann hätte es vermutlich die Ära des utopischen Fußballs Spaniens auch nicht gegeben – Xavi und Iniesta wären einfach weggetreten worden. Bei all dem Zerren, Ringen und Grätschen in den WM-Vorrundenspielen hatte man dagegen manchmal das Gefühl, man sei beim Rugby und nicht beim Fußball. Um die Hochglanzstadien in Brasilien ist viel hochgerüstete Polizei in Stellung gebracht – und unten auf dem Rasen stehen die Fußballer mit ihren Gladiatorenkörpern bereit zum Kampf.

Doch sollte es neben dem Ziel, „um jeden (?) Preis“ zu gewinnen, nicht auch um die Ermöglichung eines freien Spiels gehen, um kreative Entfaltung, Tricks und Finten, die Liebe zum Ball? Dafür braucht es in der Kontaktsportart Fußball Regeln, die eingehalten werden müssen.