Kevin fiel durch ein Netz von Sozialarbeitern

Fast ein Dutzend Sozialdienste waren damit befasst, dem kleinen Kevin und seinen Eltern zu helfen. Die meisten erklären vor dem Untersuchungsausschuss, sie hätten zu wenig gewusst und seien nicht zuständig gewesen

In Bremen ist die Suche nach den Hintergründen des eklatanten Versagens im Fall Kevin in die zweite Runde gegangen: Der Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft befragte gestern KollegInnen des Fallmanagers, den Drogenhelfer, den Methadon-Arzt, die Familienhebamme, den Amtsvormund, die Fachfrauen von der Tagespflege. So viel Sozialarbeiter-Hilfe wie Kevin und seine drogenabhängigen Eltern hat kaum jemand. Und immer wieder fragen die Abgeordneten fassungslos, warum der einen oder andern Fachkraft nicht der eine oder andere Hinweis zu denken gegeben hat.

„Ich war dafür nicht zuständig“, das ist ein Satz, der in diesen Tagen immer wieder fällt. Die Ärztin im Krankenhaus, die eindeutige Zeichen von Kindesmisshandlung diagnostizierte, war nicht zuständig, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Sozialarbeiterin, die die Tagesmutter eingeschaltet hat, war nicht zuständig, die Pflegemutter mit Kevin zum Arzt zu schicken, als die ihr am Telefon von einer ganzen Serie von Verletzungen berichtete. Zum Beispiel.

Offensichtlich ist auch ein Aspekt des Problems, dass die verschiedenen Hilfsdienste, die eingeschaltet waren, in den meisten Fällen nichts oder nur wenig von der Vorgeschichte des Falles wussten. Insbesondere dass der Stiefvater immer wieder gewalttätig geworden war und auch die Mutter viele Jahre ihres jungen Lebens im Knast gesessen hatte, wussten die wenigsten. Nur so ist zu erklären, dass das Paar leichtes Spiel hatte, immer wieder bei den Sozialdiensten den Eindruck einer einigermaßen normalen Familie zu hinterlassen, die letztlich die Sache im Griff habe. Während mancher Sozialarbeiter sich hinters Licht führen ließ, sammelten sich bei der Polizei die Schreckensbilder von deren Kriseneinsätzen.

Bei dem zuständigen „Case-Manager“ liefen alle Informationen zusammen – und der deckte aus bisher unaufgeklärten Gründen den Stiefvater in seinem Interesse, das Kind nicht abgeben zu müssen. Fragen, ob es nicht eine Fachaufsicht gebe im Sozialamt, liefen bisher ins Leere. Ausgerechnet die wöchentliche Konferenz, in der Fallmanager Problemfälle vortragen, bei denen sie sich kollegial beraten wollen, finden ohne Vorgesetzte statt. Der Fall Kevin ist da schlicht nicht vorgetragen worden. Als dann auf Intervention des Bürgermeisters die Fachaufsicht eingeschaltet wurde im Januar 2006, da passierte auch nichts. Nicht einmal in der Art der Aktenführung lässt sich eine Fachaufsicht erkennen.

Das wisse sie nicht mehr – so antwortete eine Sozialarbeiterin in dieser Woche auf die Frage, warum sie, nachdem Kevins Leiche im Oktober 2006 gefunden worden war, nachträglich ein Blatt mit dem Datum vom 3. 3. 2006 in ihre Akte eingefügt habe. Immerhin: Als sie bemerkte, dass sie am 3. März im Urlaub war, habe sie das Blatt umdatiert. Auf den 17. März. kawe