ZWISCHEN DEN RILLEN
: Das seltsame Nachleben des Arthur Russell

Arthur’s Landing „Arthur’s Landing“ (Strut/Rough Trade)

Archäologen würden diese Musik lieben. Denn Arthur’s Landing ist eine New Yorker Band, die sich ganz dem Andenken ihres Freundes Arthur Russell verschrieben hat. Als dieser 1992 im Alter von 40 Jahren an Aids starb, hinterließ er ein großes Archiv mit der Minimalmusic verwandter Downtown-Avantgarde und prickelnden Discotracks. Diese beiden divergierenden Leidenschaften unter einen Hut zu bringen, war das unüberwindbare Hindernis seiner Musikerkarriere. Zu Lebzeiten erfuhr er kaum Anerkennung. Das hat sich spätestens seit der Wiederveröffentlichung von Russells wichtigsten Songs, einem Dokumentarfilm („Wild Combination“ 2009) und einer Biografie („Hold on to your Dreams“ 2010) grundlegend gewandelt.

Postumer Ruhm ist die eine Sache. Die andere Sache ist, dass diese Heiligenverehrung auch leicht in falsche Ehrfurcht umschlagen kann. Gerade deshalb nimmt man das Debütalbum von Arthur’s Landing zunächst mit spitzen Fingern zur Kenntnis, um wenig später erleichtert festzustellen, dass es alles ist, nur keine Verniedlichung eines genialischen Künstlers.

Unter Führung des Posaunisten Peter Zummo und des Bassisten Ernie Brooks hat sich ein großes Ensemble mit diversen Sängern, Perkussionisten und Arrangeuren in Russells Klangarchitektur eingegraben. Seit 2008 wurden die zwölf Songs des Albums vor allem live erprobt. Arthur’s Landing spürten in den letzten drei Jahren tatsächlich die innere Stimme der Songs auf. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man weiß, dass die rhythmische Energie von Russells Musik oft die Melodien überstrahlt.

Arthur’s Landing ist es jedoch gelungen, seine Musik mit all ihren Widerborstigkeiten in eine Gegenwart zu überführen, die der Gebrauchsmusik des Dancefloors viel freundlicher gegenübersteht, ja sogar bereit ist, den Kunstwillen darin anzuerkennen. Zuletzt ersichtlich bei „Blue Songs“ von Hercules and Love Affair, einem soliden Dancefloor-Album, das in den Popolymp gelobt wurde.

So viel Aufmerksamkeit wird Arthur’s Landing nicht zuteil werden. Trotzdem gehört ihr Mäandern in Russells Starkstrom-Disco zu den Offenbarungen von 2011. Wenn die Anmutung der Originale nach Muskeln-spielen-Lassen verlangt, dann werden sie nicht Show-off-mäßig vorgeführt, die Muskeln spannen sich ganz subtil. So wird dieser Musik Raum zur freien Entfaltung gewährt, wo der rastlose Russell einst seine Tracks als Auftragsarbeiten in Nachtschichten erledigte.

Wesentlich zum Gelingen dieser aufwendigen Rekonstruktion beigetragen hat die Produktion von Brennan Green. Selbst inzwischen ein gefeierter DJ und Produzent im Umfeld der Radioshow „Beats in Space“, hat Green mit diesem Album endgültig zu Meisterschaft gefunden. In einem Interview verriet er, dass er sich bei den Sessions wie ein Psychiater gefühlt habe. So könnte man es auch sehen: Arthur’s Landing, das Medium Arthur Russell und die passgenauen Massagen, die ihnen Brennan Green am Mischpult hat angedeihen lassen. JULIAN WEBER