Sarkozy ist der Korruption und der Bestechung verdächtig

FRANKREICH Das Verfahren gegen den Expräsidenten schadet der angeschlagenen politischen Klasse

Der Verdacht scheint durch polizeiliche Abhörprotokolle erhärtet worden zu sein

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Bis spät in die Nacht hat in Nanterre das Polizeiverhör des früheren Staatspräsidenten Sarkozy gedauert. Im Anschluss daran wurde am Mittwochmorgen mitgeteilt, dass offiziell von zwei Untersuchungsrichtern gegen ihn eine mise en examen, das heißt ein Ermittlungsverfahren, angeordnet worden ist. Das bedeutet in der französischen Rechtspraxis, dass die Untersuchungsrichter der Meinung sind, dass nach der Einvernahme durch die Polizei ernsthafte belastende Faktoren vorliegen, die es rechtfertigen, den Fall weiterzuverfolgen und danach eventuell einen Prozess anzuberaumen. Bis zu einem eventuellen Schuldspruch bei einer Gerichtsverhandlung gilt auch für den ehemaligen Staatschef die Unschuldsvermutung. Das machen heute vor allem dessen politische Freunde geltend, die vom Vorgehen der Justiz gegen Sarkozy schockiert sind. Einige vermuten dahinter gar eine sozialistische Intrige.

Auch dem Anwalt Sarkozys, Thierry Herzog, werden in diesem Verfahren nun aktive Bestechung, Verletzung und missbräuchliche Verwendung von Amtsgeheimnissen und Beeinflussung der Justiz zur Last gelegt. Der Verdacht scheint sich durch Abhörprotokolle erhärtet zu haben. Auf Anordnung eines Richters waren die Gespräche von Sarkozy und Herzog im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen einer angeblicher Wahlspende aus Libyen im Jahr 2007 von der Polizei überwacht worden. Ein Generalstaatsanwalt des Kassationsgerichts, Gilbert Azibert, wird verdächtigt, den beiden vertrauliche interne Informationen über laufende Ermittlungen geliefert zu haben.

Sarkozys Vorladung zu einem Verhör hatte in Frankreich für großes Aufsehen gesorgt. In den Medien wird betont, dass die Justiz mit diesem Vorgehen ihre Unabhängigkeit von allfälligen politischen Pressionen beweise. Auch wenn sich Politiker des linken Regierungslagers meist auf die Aussage beschränkten, die Richter müssten nun unbeeinflusst ihre Arbeit tun, ist eine gewisse Schadenfreude an den heiteren Mienen abzulesen. Der sozialistische Premierminister Valls erklärte im BFM-TV-Fernsehen, bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz und der Unschuldsvermutung sei diese Affäre „gravierend“.

Selbst wenn am Ende das Verfahren gegen Sarkozy, ohne dass es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, eingestellt werden sollte, ist nach Meinung vieler Pressekommentare heute Sarkozys baldige Rückkehr in die Politik und namentlich an die Spitze der bürgerlichen UMP fraglich geworden. So meint die linksliberale Libération, derzeit sei der Exstaatschef „so sehr von Affären umzingelt“, dass sich selbst in Kreisen der UMP „Zweifel einnisten“. Immer mehr werde Sarkozy, der sich stets als Opfer aufspiele, wie ein zweiter Berlusconi wahrgenommen.

Sarkozys wichtigster interner Rivale, Expremierminister Fillon, befürchtet dagegen, die Vorwürfe der Justiz könnten den Exstaatspräsidenten in seinen Comebackplänen noch bestärken. Die konservative Zeitung Le Figaro betont kritisch die Methoden und Mittel, mit denen die Justiz eine eventuelle Verletzung von Amtsgeheimnissen untersuche, und zitiert den Vorsitzenden der Anwaltskammer, der meint, hier werde ein bedauerlicher Präzedenzfall geschaffen.

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