Massenfestnahmen nach Demo

CHINA In der Sonderzone Hongkong geht die Polizei gegen friedliche Straßenblockierer vor. Sie will offenbar ein Exempel statuieren

BERLIN taz | Im Anschluss an die größten Proteste seit einem Jahrzehnt hat die Polizei in der südchinesischen Sonderzone Hongkong am frühen Dienstagmorgen 511 Demonstranten festgenommen, darunter drei Abgeordnete des Stadtparlaments. Sie hatten Straßen vor dem Amtssitz des pekingfreundlichen Hongkonger Regierungschefs blockiert. Die Polizei warf ihnen „illegale Versammlung“ und „Verkehrsbehinderung“ vor.

Demonstranten hatten die Blockade zuvor angekündigt und als „Übung“ zur Lahmlegung des Finanzdistrikts Central bezeichnet. Damit droht die gewaltfreie Organisation Occupy Central with Love and Peace, sollten die Regierungen in Peking und Hongkong nicht auf die populäre Forderung nach einer Nominierung und Wahl des nächsten Hongkonger Regierungschefs durch die Bevölkerung eingehen. Peking besteht auf einer eigenen Vorauswahl.

Bis Dienstagabend waren laut South China Morning Post noch 129 Personen in Polizeigewahrsam. Die meisten waren nur mit Verwarnungen freigelassen worden. Bei 18 Personen erfolgte die Freilassung auf Kaution. Die Polizei setzte bei den Festnahmen keine Wasserwerfer, Schlagstöcke, chemische Keulen oder Tränengas ein, doch beschwerten sich viele über verdrehte Arme. Insgesamt blieben Demonstranten und Polizei weitgehend friedlich. Offenbar wollte die Polizei den Aktivisten die Grenzen des zivilen Ungehorsams aufzeigen, sonst hätte sie auch bis zum für acht Uhr angekündigten Blockadeende warten können.

Zuvor waren am 17. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China Zehntausende Menschen durch die Stadt gezogen und hatte mehr Demokratie gefordert. Die Veranstalter sprachen von 510.000 Teilnehmern, die Polizei von 92.000, Wissenschaftler der Universität Hongkong von 154.000 bis 172.000. SVEN HANSEN