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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Eine politische Entscheidung

■ betr.: „Die Jugend fährt dem ADAC davon“, taz vom 1. 7. 14

Es sind für mich als Autofahrerin vor allem die Versicherungen, die dem ADAC bei der Pannenhilfe seit Jahren tatkräftig Konkurrenz machen. Das schlägt zu Buche, und auch wir Alten können rechnen. Und es ist natürlich für mich auch eine politische Entscheidung, nicht im ADAC Mitglied zu sein. RENATE SCHRÖDER, Hamburg

Nur ein Trostpflästerchen

■ betr.: „Teuer und rückwärtsgewandt“ von Simone Schmollack, taz vom 1. 7. 14

Gerne können Sie die Mütterrente für teuer und rückwärtsgewandt halten, aber gehen Sie doch bitte nicht immer von einem Rentensystem aus, das wir gar nicht haben. Unser Rentensystem funktioniert nicht wie ein Sparbuch, in das wir immer schön einzahlen, um im Alter vom Ersparten zu leben.

Wir zahlen jetzt die Renten für unsere Väter und Mütter und auch kinderlose Verwandte und Mitbürger. Und unsere Kinder müssen einmal unsere Renten und die der Kinderlosen zahlen. Erzieht eine Generation zu wenige Kinder, gibt’s weniger Rente, daran ändert auch eine gestiegene Produktivität und Zuwanderung nichts. Die Kindererziehung ist auch ein Beitrag zur Finanzierung zukünftiger Renten, und deshalb steht Frauen (und Männern) für diese Leistung auch Geld zu, aus welchen Quellen auch immer. Ohne nachfolgende Generationen gibt es auch für den fleißigsten Renteneinzahler nix. Die Mütterrente ist zudem nicht mehr als ein Trostpflästerchen.

BIRGIT SCHMIDT, Kerpen

Ungerechtes Sozialsystem

■ betr.: „Kampf um die Extrawurst“, taz vom 1. 7. 14

Die Tatsache, dass Saisonarbeiter keinen Anspruch auf einen Mindestlohn haben, zeigt, wie ungerecht es in unserem Sozialsystem zugeht! Es wird erneut Geld auf Kosten der Kleinsten und Schwächsten gespart. JULIA ENGELS, Elsdorf

Marktfreiheiten mit Vorrang

■ betr.: „Druck auf Wasser und Finanzen“, taz vom 27. 6. 14

Vielleicht hat sich schon mal jemand gefragt, woraus die Europäische Kommission und derzeit ihr Handelskommissar Karel De Gucht das Verhandlungsmandat für diese weitreichenden Abkommen, sei es nun TTIP oder Tisa, ableiten. Dabei wurde bisher nicht berücksichtigt, dass in den Bestimmungen der Verträge der Europäischen Union den Marktfreiheiten grundsätzlicher Vorrang eingeräumt wird.

Wie der Rechtswissenschaftler und frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Dieter Grimm, nun in einem Interview darlegte, hat der Europäische Gerichtshof die europäischen Verträge in seiner Entscheidung 1964 in Verfassungsrang angehoben. Dadurch wurden die Pflichten der Staaten „in Rechte der Wirtschaftsakteure verwandelt und konnten eingeklagt werden“. Wo EU-Kommission und Europäischer Gerichtshof „nun im nationalen Recht ein Hemmnis für den gemeinsamen Markt sahen, erklärten sie es für unvereinbar mit Europarecht. Auf diese Weise verloren die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihre Standards in der Daseinsfürsorge, im Umweltschutz, im Konsumentenschutz“ durchzusetzen. Daher sind die weiteren Liberalisierungen von Handel und Dienstleistungen die Fortsetzung dieser Politik.

Um die Legitimität der EU wiederherzustellen, wäre nach Dieter Grimm eine durchgreifende Reform vonnöten: „Da die Verträge nun einmal in Verfassungsrang erhoben sind, müssen sie auch wie eine Verfassung gestaltet sein“ und sich „auf die Zwecke, die Organe, die Kompetenzen, die Verfahren der EU und die Unionsgrundrechte beschränken“. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Alternatives Milieu hat Lösungen

■ betr.: „Flüchtlinge provozieren“, taz vom 30. 6. 14

Ich weiß ja, dass viele Linke zur Selbstkasteiung neigen, und auch, dass es eine große Trauer gibt, dass Kreuzberg nicht mehr so ist wie vor 120 Jahren. Mir persönlich reicht es aber langsam mit dem Kreuzberg-Bashing. Die drei von der taz immer wieder gern besprochenen Themen Touris, Dealer und Flüchtlinge werden in Kreuzberg immer noch anders bearbeitet als im Rest der Republik.

Dealer im Park? Werden woanders sofort von der Polizei rigoros entfernt. Touris, die feiern? Werden entweder verboten oder es werden Feierzonen geschaffen für sie. Flüchtlinge? Werden sofort abgeschoben. Hier werden all die Themen sehr langwierig besprochen, bis ein Konsens gefunden wird oder auch nicht, aber es wird anders angegangen.

Das alternative Milieu ist nicht völlig überfordert. Das alternative Milieu hat sogar schon die Lösungen, jedoch können die Lösungen nur von der Regierung geändert werden. Es ist zu billig, die Probleme, die dadurch entstehen, dass die grüne Bezirksbürgermeisterin nicht die vorhandenen Bundesgesetze ändern kann, den Kreuzbergern vorzuwerfen. „Man müsste helfen, will aber nicht.“ So ein Schwachsinn! Es gibt sehr wohl eine breite Unterstützung für die Flüchtlinge und deren Belange. Es wird gespendet, es wird demonstriert.

Wenn es ein Problem gibt, dann, dass es radikale Linksfundamentalisten gibt, die die Flüchtlinge und Dealer als Vehikel nutzen, um ihre Ideen zu realisieren. Es ist zu einfach, den Kreuzberger Gutmenschen als das Problem zu sehen. JOSCHA JANCKE, Berlin