Forscher fordern mehr Geld für Weiterbildung

Bildungsministerin Schavan will, dass sich Wenigverdiener weiterbilden. Doch zum Nulltarif ist das nicht zu haben

BERLIN taz ■ Den großen Wurf werde es nicht geben, erklären Bert Rürup und Dieter Dohmen. Die beiden Nationalökonomen haben gestern mit Bildungsministerin Anette Schavan ihr Drei-Säulen-Modell für mehr Weiterbildung präsentiert. Doch selbst wenn alle drei Säulen – Weiterbildungsprämie, neues Vermögensbildungsgesetz und Weiterbildungsdarlehen – kommen sollten: „Um Weiterbildung einen echten Schub zu geben, müssten mehr staatliche Gelder fließen, besonders für Bildungsferne und Geringverdiener“, sagt Dohmen, Direktor des Berliner Instituts für Bildungs- und Sozialökonomie, „und genau die will man ja fördern.“

Schavan darf aber für das Bildungssparen ihr Budget nicht überziehen. Sie hofft zwar, dass der Europäische Sozialfonds (ESF) Geld zuschießt, aber ob das klappt, ist unklar. Mit dem ESF- Geld würde sie auch die sogenannte Weiterbildungsprämie finanzieren. Die Hälfte der Kosten für eine Weiterbildung soll laut Dohmen und Rürup der Staat übernehmen – jedoch maximal 154 Euro. Die beiden Forscher schätzen, dass die Prämie 60 Millionen jährlich kostet. Wenn der ESF das bezahlt, wäre Rürups und Dohmens Programm tatsächlich kostenneutral. Die beiden anderen Säulen gibt’s zum Nulltarif – zumindest für den Staat. Zahlen müssten die Arbeitnehmer. Sie können entweder Geld aus der Vermögensbildung entnehmen („Bildungssparen“) oder bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau einen Kredit zu rund sieben Prozent Zinsen aufnehmen.

Tatsächlich steuern kann Schavan aber nur mit der Weiterbildungsprämie, denn hier fließt auch wirklich staatliches Geld. Dass der Zuschuss von maximal 154 Euro tatsächlich Einkommensschwache dazu bewegt, in die Englischschule zu gehen oder den IT-Kurs zu besuchen, davon ist Anette Schavan überzeugt: „Wenn das eigene Einkommen nicht reicht, gibt es immer noch das Weiterbildungsdarlehen.“ Bert Rürup schiebt da freilich nach, dass „auch die Präferenzen der Interessenten verändert werden müssen. Nur finanzielle Anreize zu schaffen reicht nicht.“

Das stimmt: Nur rund 14 Prozent aller Erwerbstätigen bilden sich während ihres Berufslebens fort – in Dänemark, den USA oder Schweden sind es 45 Prozent. Weniger Weiterbildung gibt’s nur in Spanien und Italien.

Das Ziel ist also erkannt, über die Mittel wird gestritten. Rürup und Dohmen lassen keinen Zweifel, dass die drei Säulen nur ein Anfang sein können, gerade für Geringverdiener und Bildungsferne. Dass die Notwendigkeit besteht, macht der absehbare Mangel an gut ausgebildetem Personal deutlich: „In Ostdeutschland nehmen die Unternehmer in fünf Jahren jeden qualifizierten Bewerber mit Kusshand, man wird nicht mehr ohne Weiterbildung auskommen“, prophezeit Dohmen.

Anette Schavan kann da nur hoffen, dass das Programm, das „Weiterbildung sexy machen“ soll, einschlägt. Mit der Haushaltsneutralität könnte es dann aber eng werden: ein ähnliches Programm wurde in Großbritannien wieder eingestellt. Es war zu erfolgreich und wurde dadurch zu teuer. JAN GEORG PLAVEC