WIEDER MAL IM TAXI: Tauwetter, Frost
Manchmal möchte ich einfach nicht mehr. Schnauze voll, Fresse dick. Da reicht es, wenn der Bäcker fragt, welche Vollkornbrötchen man denn genau wolle. Als ob es einen eklatanten Unterschied zwischen drei Vierkornbrötchen oder vier Dreikornbrötchen geben würde. Folgerichtig ist es einer dieser Tage, an dem meine unfähige Umwelt überhaupt nichts dafür kann, dass sie laufend in Gefahr gerät, mich sehr schnell mit ihrer Anwesenheit zu überfordern.
Ich überlegte also, während der Fahrt die Taxitür aufzureißen und mich in bester „Big Lebowski“-Manier aus dem Wagen zu rollen, als der Fahrer begann, mich über Spaltungs- und Desinformations-Offensiven im Taxigewerbe zu unterrichten. Mit einer kleinen Bemerkung über die Vorteile der Nachtfahrten aufgrund einer geringeren Anzahl von Fahrgästen brachte er mein Herz jedoch zum Schmelzen, welches bereits leicht zu tauen begonnen hatte, als er nach wenigen Minuten anfing, so dermaßen dreckig zu berlinern, dass selbst ich Probleme hatte hinterherzukommen.
Irgendwie schaffte er es mit seiner klischeebehafteten Art und den relativ belanglosen Kommentaren über das Leben, betrunkene Fahrgäste und „die da oben“, den Alltagsärger zu übertünchen. Ich kramte bereits mein Geld zusammen, wir näherten uns dem Zielort, ein großzügiges Trinkgeld war bereits eingeplant. Der Fahrer sinnierte inzwischen über die Frage, ob man in einem Schaltjahr wohl trotzdem mit Automatik fahren dürfe, und kriegte sich gar nicht mehr ein vor Lachen.
Plötzlich bremste er abrupt, ein voreiliger Kollege hatte ihm die Vorfahrt genommen, mein Schädel knallte an die Kopfstütze. „Du Scheiß-Fidschi“, brüllte er den vietnamesischen Fahrer an. „Verschwinde dahin, wo du herkommst!“ Womit wir wieder beim Anfang des Artikels wären. Scheißspiel.
JURI STERNBURG
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