Strichcode für Schüler geplant

Daten zu besuchten Kursen und zu persönlichen Besonderheiten: Schleswig-Holstein will eine Individualstatistik für Schulkinder einrichten. Die „gläsernen Schüler“ sind verfassungswidrig, sagt der Landesdatenschutzbeauftragte

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) will eine „Individualstatistik“ für Schulkinder einrichten, in der – personenbezogen, aber unter Pseudonym – Daten zu besuchten Kursen, der Staatsangehörigkeit und zu persönlichen Besonderheiten gespeichert werden. Das Modell wurde im vergangenen Jahr in der Kultusministerkonferenz besprochen, als Erdsiek-Rave dort den Vorsitz innehatte. Im neuen Landesschulgesetz, das gestern im schleswig-holsteinischen Bildungsausschuss beraten wurde, findet sich die geplante Statistik ebenfalls.

Doch die „gläsernen Schüler“ seien verfassungswidrig, urteilt der Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert: „Der Informationsbedarf der Kultusverwaltung darf nicht dazu führen, dass landes- und bald bundesweit ein Register über sämtliche Schülerkarrieren vorliegt. Die Gefahren sind immens, die Missbrauchsrisiken unüberschaubar.“ Die Datei sei geeignet, Ausbildungs- und Berufskarrieren zu zerstören. Oder noch mehr: In Hamburg war bereits im Herbst darüber diskutiert worden, dass die Ausländerbehörden über die Schülerstatistik an Daten von Kindern herankommen, deren Eltern illegal in Deutschland leben. Ihnen könnte dann die Abschiebung drohen (taz berichtete).

Nein zu den „Strichcodes für Schülerinnen und Schüler“ sagt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Sensible Daten zu sozialer Herkunft und Schulverlauf gehören nicht in eine Datei, die von Befugten und Unbefugten abgescannt werden kann“, sagt Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. Erdsiek-Rave hatte bereits im Herbst erklärt, wozu die Daten beispielsweise gut seien: „Wir wissen immer noch nicht exakt, wie viele Schüler aus armen Familien den Weg zum Abitur schaffen.“ Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hennig Höpner (SPD), sagte, die „individuellen Bildungsverläufe“ seien wichtig, um daraus Analysen und Konzepte zu entwickeln. Andere Länder, unter anderem das Schulvorbild Schweden, hätten noch umfangreichere Datensammlungen.

Daten gebe es mehr als genug, sagt Anke Spoorendonk (SSW): Statt gläserne Schüler zu schaffen, sollten lieber die Erkenntnisse umgesetzt werden. Auch Angelika Birk (Grüne) und der FDP-Bildungsexperte Ekkehard Klug kritisierten die Regelung.

Ob die Datenbank tatsächlich kommt, hängt nach Angaben des Bildungsministeriums von bundesweiten Regelungen ab. Im Februar will die Konferenz der Datenschutzbeauftragten mit der Kultusministerkonferenz beraten. ESTHER GEIßLINGER