vorsicht clowns! von ULRIKE STÖHRING
:

Die Januardepression am Bande schleppt sich der Mensch zu seiner Arbeitsstelle, in Geschäfte, auf irgendein grässliches Amt oder einfach so durch die Gegend. Trotz der unglaublichen Wärme ist alles wie immer, denn es gibt keinen Grund, warum dies nicht so sein sollte, bloß weil ein neues Jahr begonnen hat. Nur die Straßen sehen noch schäbiger aus als sonst.

Auf der Suche nach Trost hebe ich den Blick vom Bürgersteig in die Höhe, was aber nicht viel nützt. Er bleibt an einem urinfarbenen Werbezettel hängen, der zu einem Workshop einlädt: „Lerne lachen ohne Grund“. Der Infinitiv mit zu ist vor lauter Heiterkeit gleich auf der Strecke geblieben. Immerhin ist das Angebot relativ preisgünstig. Vermutlich, damit diejenigen, die tatsächlich keinen Grund mehr zum Lachen haben, dabei sein können.

„Edel geht die Welt zugrunde“, sagte meine Großmutter immer, und als Kind konnte ich mir absolut nicht erklären, was damit wohl gemeint sei. Ein paar Straßenecken weiter fällt mir dieser Spruch angesichts einer weiteren Offerte, die Zeit totzuschlagen, wieder ein: „Clown werden – Scheitern als Chance“, heißt es da. Und es geht finanziell durchaus derber zur Sache: 130 Euro für sechs Stunden „Schnupperkurs“ sollen es sein.

Ich bin froh, auf gar keinen Fall Clown werden zu wollen. Ohnehin würde das Scheitern bereits beim Blick auf meinen Kontostand beginnen und zwar keineswegs als Chance. Dem Kleingedruckten entnehme ich, dass ich auch noch „Lust am Scheitern“ haben soll. Überall soll man neuerdings Lust empfinden und bekommt, wenn das mal nicht so klappt, eine Dosis schlechtes Gewissen. Außer „Lust“ fällt Werbetextern schon lange nichts mehr ein. Die Zeit ist nicht mehr fern, da man in Zahnarztpraxen von „Lust auf eine Wurzelbehandlung?“-Postern empfangen wird.

Das Clownplakat jedenfalls empfiehlt sich als Weiterbildungsangebot für den „Kundenbereich“ der Agentur für Arbeit, wie die Warteflure der Arbeitsämter heute vornehm genannt werden. Andererseits, wer will denn bitte Clowns sehen? Clownsdarbietungen gehören zum Langweiligsten und Unkomischsten, was der Mensch in seinem Leben erdulden muss. Kinder durchschauen solche Trauerspiele blitzschnell. Wenn ein Clown seine „Späße“ durchführt, gucken sie so interessiert drein, als erläutere man ihnen den Bauplan der schwedischen Sackpfeife. Die dazugehörigen Elternteile dagegen patschen mit den Händen und werfen mit Nun-lach-doch-mal-Blicken um sich, denn der Eintritt war schließlich teuer genug.

Einmal musste ich aus dienstlichen Gründen die Vorstellung eines Familienzirkus besuchen, der nur aus einer einzigen, offenbar sehr zerrütteten Familie zu bestehen schien. Beim Auftritt des Clowns verzog niemand im Publikum auch nur eine Miene. Die Nummer wurde daraufhin angenehm abrupt abgebrochen und vom Auftritt einer Taubendompteuse abgelöst. Allerdings war die Dame so sturzbetrunken, dass sie der Tiere auch mit größter Mühe nicht Herr wurde und mehrmals kopfüber in die Sägespäne fiel.

Während die Eltern peinlich berührt zu Boden starrten, brüllten die Kinder vor Lachen. Die Lust am Scheitern … – dann doch lieber Zahnarzt.