In Mogadischu wächst die Angst

In Somalias Hauptstadt nehmen bewaffnete Auseinandersetzungen zu. Zahlreiche Menschen bringen sich vorsichtshalber in Sicherheit. Berichte über die Lage im Süden des Landes sorgen für Empörung. Doch manche hoffen noch auf einen Frieden

AUS MOGADISCHU ILONA EVELEENS

In der somalischen Hauptstadt Mogadischu nehmen gewalttätige Auseinandersetzungen zu. Während vergangene Woche kaum Schüsse zu hören waren, werden die Einwohner jetzt nachts immer öfter von anhaltendem Kampflärm geweckt. Anfang der Woche wurden Regierungssoldaten in einem Viertel im Süden der Stadt von Unbekannten beschossen. „Wir wissen nicht, ob es Milizen von Kriegsherren waren oder islamistische Kämpfer. Aber mehrere Personen wurden verletzt“, sagt ein Anwohner.

Am Tag darauf wurde eine Rakete auf äthiopische Militärfahrzeuge im Norden von Mogadischu abgeschossen. Das Projektil verpasste das Ziel und schlug in ein Haus ein. In der darauf folgenden Schießerei wurden wieder Menschen verletzt. Vermutlich handelt es sich um einen Angriff von islamistischen Kämpfer, die in der Stadt geblieben sind. Kurz vor dem Jahreswechsel vertrieben Regierungstruppen und äthiopische Streitkräfte die „Union Islamischer Gerichte“ (UIC), die seit einem halben Jahr einen großen Teil des Landes einschließlich der Hauptstadt kontrollierte. Ihre Führer weigern sich, die Niederlage einzugestehen und drohen mit Anschlägen.

In der Bevölkerung wächst die Angst vor der Gewalt. Die Einwohner von Mogadischu befürchten auch die Rückkehr der Kriegsherren. „Gleich nachdem die UIC vertrieben war, erschienen die Kriegsherren auf dem Markt. Ich weiß ganz genau, dass drei von ihnen jeweils tausend leichte Waffen wie Maschinengewehren und Pistolen gekauft haben“, berichtet ein Waffenhändler. Außerdem nimmt die Empörung über die Luftangriffe auf mögliche Verstecke von vertriebenen UIC-Mitglieder zu. Dutzende Menschen wurden getötet.

Dorfführer im Süden, nahe der kenianischen Grenze, melden per Funk, dass sie tote Zivilisten und Tierkadaver gesehen haben. „Das ist nicht die richtige Art, um mutmaßliche Terroristen anzugreifen“, meint Professor Abdullahi Shirwa, Direktor von Somalia Peace Line. „Unschuldige Hirten und hunderte ihrer Tiere wurden getötet. Die waren vermutlich nur auf der Suche nach Grass und Wasser. Wir wollen eine solche Einmischung von Ausländern nicht. Damit wird der Konflikt nur internationalisiert.“ Der Friedensaktivist setzt sich für einen Dialog zwischen den rivalisierenden Parteien in Somalia ein. „Die Regierung muss mit jedem reden, um eine Lösung zu finden. Sie kann die UIC-Führer nicht ausschließen.“

Viele der 2,5 Millionen Einwohner von Mogadischu sind geflohen, als die Regierungstruppen und die äthiopischen Streitkräfte auf die Hauptstadt vorrückten. Nach den bewaffneten Auseinandersetzungen der letzten Tage beschlossen weitere Menschen, die Stadt zu verlassen. „Ich habe Angst, dass es schlimmer wird. Ich warte nicht nicht ab und werde vorrübergehend bei Verwandten außerhalb der Stadt wohnen“, sagt eine junge Frau.

Trotz der immer schlechter werdenden Lage geht Professor Shirwa davon aus, dass es derzeit eine gute Chance für einen Frieden in Somalia gibt. Die Bevölkerung sei kriegsmüde und wolle Frieden. Nun soll eine afrikanische Friedenstruppe für Ruhe und Ordnung sorgen. „Es ist entscheidend, dass die Äthiopier sich so schnell wie möglich zurückziehen. Die meisten Somalier hassen sie. Präsident Yusuf mag sie eingeladen haben, „aber das ist nicht der Wille der Bevölkerung“, meint Shirwa. „So lange die Äthiopier hier sind, wird Yusuf nie die volle Unterstützung der Bevölkerung bekommen. Damit wird die einzige Chance auf Frieden untergraben.“