Vietnam jetzt in der WTO

Der asiatische Staat öffnet sich für den Welthandel. Das macht den Landwirten Sorge

BERLIN taz ■ Le Van Khanh freut sich. „Das ist ein guter Tag für Vietnam.“ Khanh ist Kellner in einem kleinen Hotel in Vietnams Hauptstadt Hanoi. Das Ereignis, das ihn freut, ist der Beitritt seines Landes zur Welthandelsorganisation WTO als 150. Mitglied, der gestern offiziell erfolgte. „Wenn sich Vietnam der Welt öffnet, kommen mehr Gäste. Dann habe ich mehr Kunden.“

Seit eineinhalb Jahrzehnten boomt die Wirtschaft Vietnams mit jährlichen Wachstumsraten zwischen sieben und acht Prozent – unterbrochen durch die Asienkrise Ende der 90er-Jahre. Der Aufschwung begann mit der wirtschaftlichen Öffnung des sozialistischen Landes, und den Aufschwung bringen ausländische Investoren. 10,2 Milliarden US-Dollar investierten ausländische Unternehmer im vergangenen Jahr in dem 84 Millionen Einwohner zählenden Land. Aber nicht nur aus so pragmatischen Gründen löst der WTO-Beitritt bei Khanh Freude aus. Er hebt auch den Nationalstolz des Mannes wie vieler Vietnamesen.

In der allgemeinen Euphorie werden kritische Stimmen an den Rand gedrängt. Nguyen, Duc Trieu, der Chef des vietnamesischen Bauernverbandes, gehört zu diesen nicht gern gehörten Mahnern. Seine Kunde: Vietnam wird bald mit ausländischen Billiglebensmitteln überschwemmt werden, mit denen einheimische Landwirte nicht konkurrieren können.

Zwar sind gerade in Vietnams Landwirtschaft die Arbeitskräfte billig. Doch die WTO zwang das Land, seine Agrarsubventionen weitgehend einzustellen und Einfuhrzölle für hochsubventionierte Lebensmittel aus Industriestaaten drastisch zu senken. 1.812 verschiedene Zölle musste Vietnam um 30 bis 40 Prozent senken, um der WTO beitreten zu dürfen, verkündete gestern Vietnams Handelsminister Truong Dinh Tuyen.

Der von der Regierung prognostizierte neuerliche Wirtschaftsboom wird sich kurzfristig dank neuer internationaler Impulse sicher einstellen. Vietnam will in den kommenden drei Jahren 53 große Staatsunternehmen ganz oder teilweise privatisieren. Darunter ist die staatliche Fluggesellschaft Vietnam Airlines, die ab 2008 an die Börse gehen soll. Zudem sollen 100 privatisierte ehemalige Staatsunternehmen an die Börse gehen. Damit will Vietnam noch mehr ausländisches Kapital als bisher ins Land locken. Vietnamesische Aktien gelten inzwischen als Geheimtipp an der Börse.

Langfristig wird die Frage sein, ob Vietnam als WTO-Mitglied tatsächlich wie erhofft mehr Billigtextilien, Schuhe und Spielzeug auf dem Weltmarkt absetzen kann. Wirtschaftsboom und Kapitalzuflüsse führen bereits zu einer Aufwertung der Währung Dong und nicht zu einer Abwertung, den die Regierung in planwirtschaftlicher Tradition anstrebt, um die Exporte billiger zu machen. MARINA MAI