Ein paar Quadratmeter Berlin

KREUZBERG Das Drama um die besetzte Schule endet mit einem Kompromiss: Die Flüchtlinge dürfen in dem Schulgebäude bleiben, aber nicht in Deutschland

Wegen der Räumungsankündigung droht Stadtrat Panhoff Krach mit den Grünen

VON SEBASTIAN HEISER

BERLIN taz | In der Nacht auf Donnerstag haben die rund 40 Flüchtlinge in der besetzten ehemaligen Schule in Berlin-Kreuzberg eine Einigung mit dem grün regierten Bezirksamt erzielt: Auch während der Renovierung des Gebäudes dürfen sie in einem Flügel wohnen bleiben. Ihre Forderung nach Bleiberecht, für die das Land Berlin zuständig ist, hat Innensenator Frank Henkel (CDU) dagegen abgelehnt: Sie kommen in das ganz normale Prüfverfahren. Das bedeutet: kein flächendeckendes Bleiberecht. Am Ende der Prüfungen wird für einige der Flüchtlinge die Abschiebung in einen anderen EU-Staat oder in ihr Herkunftsland stehen. Wie lange sie sicher sind, ist unklar.

Die Besetzung der Schule ist damit nach zwei Jahren legalisiert. Im Winter 2011/2012 waren Flüchtlinge von dem Protestcamp am nahe gelegenen Oranienplatz in das leer stehende Gebäude eingedrungen, um eine Unterkunft für den Winter und eine Basisstation für politische Aktionen zu haben. Das Gebäude mit nur einer funktionierenden Dusche war schnell mit mehr als 200 Personen überfüllt, unter den neuen waren etwa Obdachlose sowie Wanderarbeiter aus anderen EU-Staaten. Es kam mehrfach zu internen Auseinandersetzungen, im April erstach ein Bewohner einen anderen.

Am Dienstag vergangener Woche hatte der Berliner Senat neue Unterkünfte für die Bewohner bereitgestellt. Rund 1.000 Polizisten sperrten den ganzen Häuserblock ab, um zu verhindern, dass Demonstranten die Schule nach dem Auszug der Bewohner neu besetzen. Eine Minderheit der Bewohner verweigerte den Umzug und bestand darauf, in der Schule zu bleiben, und drohte, sich vom Dach zu stürzen. Während die Polizei den Kiez weiter besetzte und Anwohner nur nach Ausweiskontrollen in ihre Häuser durften, liefen die Verhandlungen zwischen Polizei und Bezirk weiter und spitzten sich mehrfach zu. Hans Panhoff (Grüne) von der Bezirksregierung beantragte bei der Polizei schließlich die Räumung der Schule. Dies erhöhte den Druck noch einmal und führte schließlich zu einem Verhandlungsergebnis, sodass die Räumung am Ende nicht notwendig war.

Die Einigung sieht vor, dass die Flüchtlinge den dritten Stock des Gebäudes weiter besetzen dürfen. Alle bekommen Hausausweise, ein Sicherheitsdienst wird dafür sorgen, dass nur die jetzigen Besetzer reindürfen und die Schule nicht wieder von weiteren Personen überrannt wird. Der Bezirk erstattet keine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs und darf kontrollieren, dass die Fluchtwege freibleiben.

Wegen der Ankündigung der Räumung droht Panhoff noch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seiner Partei. Die Grünen im Bezirk hatten dies mehrheitlich abgelehnt, darunter auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Panhoff verteidigte sich am Donnerstag, er habe als Zuständiger eine Entscheidung treffen müssen und sei dabei vom „Mut der Verzweiflung“ getrieben worden, um zu einer Lösung der verfahrenen Situation zu kommen.