Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt

Heute Abend wird in der Linse über den „Mythos Horst Wessel“ gesprochen, der allerdings längst kein Mythos mehr ist. Man weiß, dass der Kleinzuhälter Wessel bei einem Handgemenge angeschossen wurde und deshalb starb, weil die Parteifreunde des SA-Mannes eine Behandlung durch einen jüdischen Arzt ablehnten. Wessels Tod wurde also von der eigenen Partei mitverschuldet. Für die Nazis ist er dennoch ein Opfer des Kommunismus und taugt zur Identifikationsfigur. Heute Abend alle weiteren Infos. Nahezu zeitgleich wird im Festsaal Kreuzberg über die Bombardierung Dresdens gesprochen, hartnäckig hält sich das Gerücht, dass in Dresden nur liebe Menschen waren und die Bombardierung somit ein rein sadistischer Akt menschheitsverbrecherischer Generäle. Und dass die Deutschen eben auch Opfer sind. Man muss Städtebombardierungen nicht befürworten, um das für Quatsch zu halten. Wie Kurt Pätzold und Nora Goldenbogen genauer erklären werden. Am Freitag geht es im Baiz um die sogenannte Integrations-Debatte. Wer soll sich wie integrieren? Wer wird ausgegrenzt? Geht es letztendlich nur um die „Nützlichkeit“ eines aus- und inländischen „Menschenmaterials“? Hört man auf Westerwelle, muss man das leider bejahen. Hier wird ausgeführt, worum es bei der Integrations-Debatte geht. Am nämlichen Ort, tags darauf, wird „Intolerance“ von D. W. Griffith gezeigt, ein frühes filmisches Meisterwerk, keine Frage. Dass der „erste Monumentalfilm der Welt“ den Veranstaltern gefällt, da er „auf Drängen Lenins“ in der Sowjetunion erfolgreich wurde, mag rühmlich sein, doch etwas Vorwissen schadet zumeist nicht: Griffith’ erster abendfüllender Spielfilm war „The Birth of a Nation“, der eigentlich „The Clansman“ hieß und den Klu-Klux-Klan verherrlicht. Ist vielleicht nicht unser Freund, der Herr.

■ Mythos Horst Wessel: Linse, Parkaue 25, Mo, 18 Uhr

■ Dresden: Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130, Mo, 19 Uhr

■ Integrations-Debatte: Baiz, Christinenstr. 2, Fr, 18.30 Uhr

■ Intolerance: Baiz, Christinenstr. 2, Sa, 20 Uhr