MUSIKALISCH HEIMATLOS
: Notwists Nein

Nils Schuhmacher

Es gibt diese schöne Geschichte von Micha Acher, der vor einigen Jahren einen Anruf aus der Londoner Vodafone-Zentrale erhielt. 750.000 Euro bot man ihm für die Verwendung eines Liedes seiner Gruppe The Notwist in einem Werbespot und er sagte Nein. Vodafone erhöhte das Angebot, Acher sagte noch mal: Nein.

Auf der einen Seite reicht diese kleine Geste natürlich kaum aus, das Profil dieser um die zwei Brüder Acher formierten Band zu bestimmen. Auch der Hinweis: „Wo andere Frisuren haben, haben sie Haare“ (Süddeutsche) und die Schlussfolgerung: „In merkantiler Hinsicht sind sie vollends eine Katastrophe“ (Süddeutsche) können nur Mosaikstücke liefern. Auf der anderen Seite muss man erst mal auf die Idee kommen, eine solche Summe auszuschlagen und das auch noch mit einem künstlerischen Argument zu untermauern.

Insofern ist diese Geschichte also vielleicht doch kennzeichnend für diese bereits seit 1989 bestehende Gruppe aus dem Oberbayerischen. Als Schülerband fiel sie bereits durch eine gewisse musikalische Heimatlosigkeit und Umtriebigkeit auf. „Shrink“ (1998) markierte den nachhaltigen Bruch mit der Rockgitarre und den Beginn der Hinwendung zur Elektronik, ein Prozess, der 2002 auf „Neon Golden“ formvollendet wurde. Die Platte wurde zu einem Schnittmengenalbum, das die beweglicheren Teile des Indie-Spektrums genauso ansprach wie die uninteressante Lounge-Bevölkerung. Vor allem aber: Es war ein eigenwillig komponiertes Album voller melancholischer Hits.

Insofern ist es wohl kein Zufall, dass das Nachfolgealbum vergleichsweise wenig Kontur besaß, gleichzeitig diverse Nebenprojekte entstanden. Sechs Jahre später ist nun mit „Close to the Glass“ das siebte Album der Weilheimer herausgekommen. Die Rauheit von „Shrink“ und die offensichtlichen Hits des vorletzten Albums sucht man hier vergebens. Aber innerhalb des bekannten Klangspektrums haben es The Notwist geschafft, neue Akzente zu setzen. Aufgeregtheit sieht anders aus. In diesem Sinne: Vodafone, bitte nicht melden (Do, 17. 7., 20 Uhr, Fabrik).