Chronologie des Straßenkampfs

17. Dezember 2004: Eine Woche vor dem 25. Todestag von Rudi Dutschke wirft die taz die Idee in den Raum: eine Rudi-Dutschke-Straße für Berlin-Kreuzberg. taz-Geschäftsführer Karl Heinz Ruch beantragt die Umbenennung der Kochstraße, die am Verlagsgebäude der taz vorbei zum Haus des Axel-Springer-Verlags führt. Die Umbenennung der Straße wäre „ein Symbol für die gesellschaftliche Versöhnung der Generationen – in Berlin wie in Deutschland überhaupt“, heißt es in dem offenen Brief an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Dort läuft die taz offene Türen ein. Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) und Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) unterstützen die taz-Initiative genauso wie Adolf Muschg, Präsident der Akademie der Künste, die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth und Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD).

22. Dezember 2004: Die Dutschke-Straße ist auf dem langen Marsch durch die Institutionen. Die PDS bringt die taz-Initiative noch vor Weihnachten in das zuständige Bezirksparlament ein. Dort baut die CDU Barrikaden und lässt das dringende Begehren in die Ausschüsse vertagen.

24. Dezember 2004: Die taz ehrt Rudi Dutschke an seinem 25. Todestag mit einer Sonderausgabe.

10. Januar 2005: Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG mischen sich ein. Ihr wäre die mit der Dutschke-Straße einhergehende Umtaufe des U-Bahnhofs Kochstraße zu teuer. Als Kompromiss wird erstmals die Teilumbenennung der Straße genannt.

15. Januar 2005: Die Fronten bröckeln. Ernst Cramer, Vorsitzender der Axel-Springer-Stiftung, sagt zur Dutschke-Straße: „Warum nicht?“

26. Januar 2005: Alten Straßenkämpfern kann eine Dutschke-Straße in Kreuzberg nicht genug sein. Daniel Cohn-Bendit fordert einen Dutschke-U-Bahnhof am Kurfürstendamm.

18. März 2005: Die Dutschke-Straße nimmt die erste parlamentarische Hürde – der Kulturausschuss der Bezirksverordnetenversammlung stimmt zu.

31. Mai 2005: Das Bezirksparlament lädt Anwohner zur offiziellen Anhörung. Außer den meckernden CDU-Politikern kommt kaum jemand. Der taz-Redakteur und Zeitzeuge Christian Semler nennt fünf Gründe für eine Dutschke-Straße.

31. August 2005: Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg beschließt die Umbenennung. Die taz titelt: „WIR SIND STRASSE“.

20. Dezember 2005: Ein Jahr nach dem Start der taz-Initiative taucht die Kreuzberger Splitterpartei CDU wieder auf. Sie kündigt ein Bürgerbegehren gegen die Dutschke-Straße an.

15. Februar 2006: Die CDU startet ihre Unterschriftensammlung gegen die Dutschke-Straße – der Start ihres Bürgerbegehrens. Die taz spielt mit – und sammelt parallel Unterschriften für Dutschke.

25. Februar 2006: Her mit der Dutschke-Straße! fordern Prominente in der taz. Darunter Walter Momper (SPD), Christian Ströbele (Grüne), Heidi Knake-Werner (Linkspartei), Lucy Redler (WASG), Matthias Lilienthal (Intendant des Hebbel am Ufer), Christoph Schlingensief (Regisseur) und Peter Grottian (Politologe). Im Straßenkampf führt die taz (609 Unterschriften) deutlich vor der CDU (285).

8. April 2006: Die Dutschke-Gegner wollen nicht allein auf die Demokratie vertrauen – und ziehen vor Gericht. Federführend einer Interessengemeinschaft von Anwohnern: die Axel Springer AG.

19. Mai 2006: Die taz gewinnt den Straßenkampf: 5.000 Bürgerinnen und Bürger des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg haben für Dutschke unterschrieben.

30. Juni 2005: Die CDU humpelt mit Abstand hinterher. Anderthalb Monate nach der taz hat sie die für das Bürgerbegehren notwendigen 5.000 Unterschriften beisammen.

22. September 2006: Das Bezirksamt hat nachgezählt: Rund 5.500 gültige Unterschriften legte die CDU vor. Nun wird ein Bürgerentscheid fällig.

31. Oktober 2006: Der Falk Verlag nimmt die Rudi-Dutschke-Straße schon in seinen neuen Falk-Stadtplan Berlin auf.

14. November 2006: Das Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg stimmt mit großer Mehrheit einem Bescheid des Bezirksamtes zu, am 21. Januar 2007 in einem Bürgerentscheid über die Umbenennung abzustimmen. GA