der wochenendkrimi!
: Supergirls don’t cry

„Polizeiruf 110: Dunkler Sommer“ (So 20.15 Uhr, ARD)

Die Liebenden werden von Ameisen gebissen. Denn zum Fummeln haben sich die beiden Jugendlichen unachtsamerweise auf dem Haupttransportweg der Viecher niedergelassen, und der führt zu einem notdürftig hergerichteten Steingrab. Darunter modert die Leiche eines ermordeten Gewaltverbrechers.

Die Ameisen haben also allerhand zu tun, in wuseligen Nahaufnahmen sehen wir ihrem Treiben zu. Zu den Menschen aber hält die Kamera in diesem Polizeiruf einen gewissen Abstand. Sie bleibt ihnen zwar auf den Fersen, drängt sich ihnen aber niemals wirklich auf. Oft sieht man nur den Rücken der Figuren, denen der Zuschauer in langen ruhigen Kamerafahrten durchs faulige Unterholz des Waldes folgt. Oder über Kornfelder, die in der Sommerhitze flirren. Oder hinein ins schwarze Wasser der Mecklenburger Seenplatte.

Die meiste Zeit im Bild: die junge Svenja (Sarah Horváth), die tun muss, was ein Kind eben zu tun hat, wenn die Alten das Handeln verlernt haben. Den kleinen Bruder beschützen zum Beispiel, die Mutter wegen ihrer glücklosen Affäre zurechtweisen oder eben den Verbrechervater im Wald verscharren. Der Erzeuger stand nämlich kurz nach seiner Haftentlassung wodkatrunken vor dem Haus der Großeltern, und in der gleichen Nacht noch kam er auf eher unnatürliche Weise ums Leben. Selbst wenn sie wollte, Svenja hat keine Zeit, dem Toten nachzuweinen. Niemand ist nüchterner und zielstrebiger als Kinder, wenn sie glauben, ihre Welt vor dem Untergang schützen zu müssen.

Regisseur Hendrik Handloegten erzählte ja schon in seinem Spielfilmdebüt „Paul is Dead“ von 2000, wie ein Halbwüchsiger gegen die unheilvollen Umtriebe der Erwachsenen kämpfen muss; damals ging es um nichts Geringeres als eine Weltverschwörung gegen die Beatles. Der Fall in „Dunkler Sommer“ (Buch: Ulli Stephan) ist nun übersichtlicher, aber umso dringlicher. Svenja muss ihre Familie retten – oder zumindest das, was von ihr übrig geblieben ist.

Handloegten tut gut daran, den kühlen Aktionismus seiner jugendlichen Heldin ohne jedes Augenzwinkern in Szene zu setzen. Und die Ermittler Hinrichs (Uwe Steimle) und Tellheim (Felix Eitner), deren Zusammenwachsen in den letzten beiden Folgen ein bisschen zu ausführlich thematisiert wurde, bleiben nun wohltuend im Hintergrund. Die Befürchtung, der Schweriner Polizeiruf könnte an Schärfe und Substanz verlieren, wird mit diesem sensationell stillen Krimidrama also erst mal zerstreut. Sommer in Schwerin: Selten zuvor wurde die Mecklenburger Seenplatte unheimlicher und unheimeliger fotografiert.

CHRISTIAN BUSS