Krisengeschüttel

Nach der Jauch-Absage fühlt sich die ARD richtig mies. Und krudeste Spekulationen, wer nun alles „Christiansen“ beerbt, schießen ins Kraut

VON STEFFEN GRIMBERG

Am Tag zwei nach Jauch gleicht die ARD einem Bauernhof: Alles kräht und gackert durcheinander, und für die nach der Absage des RTL-Moderators nun vakante Stelle als Sonntagabend-Polittalker im Ersten wird vom Kleinvieh (Michel Friedman, Gerhard Delling) bis zum alten Schlachtross (Uli Wickert) so mancheR übers Feld gescheucht.

Offiziell mochte die ARD gestern nur so viel sagen: Wenn am Dienstag kommender Woche die Fernsehprogrammkonferenz der Rundfunkanstalten in Frankfurt am Main zusammenkommt, steht auch das Thema Jauch auf der Tagesordnung. Ob das auf eine schnelle Entscheidung hinausläuft, ist jedoch völlig offen.

Der „stern tv“-Moderator und „Wer wird Millionär?“-Fragesteller (beides RTL) hatte am Donnerstag überraschend den perfekt geglaubten Deal abgesagt. Grund: Die ARD habe nachträglich darauf gedrungen, dass er „journalistisch exklusiv“ für das Erste tätig ist und eine weitere Sendung übernimmt. Ursprünglich sollte Jauch im September Sabine Christiansen ablösen.

Nachdem am Donnerstag zunächst vor allem WDR-Moderator Frank Plasberg („Hart, aber fair“) als nun aussichtsreichster „Christiansen“-Nachfolger benannt wurde, vergrößerte sich gestern das Feld der KandidatInnen stündlich. Neben dem ehemaligen NDR-Sportchef Delling und „Bundesliga“-Hauptmoderator Reinhold Beckmann werden nun auch die NDR-Gesichter Anne Will und Uli Wickert („Tagesthemen“) sowie Sandra Maischberger (WDR) gehandelt.

Auch diverse ARD-IntendantInnen geraten sich weiter wegen der gefühlten Jauch-Schlappe in die Haare. NDR-Intendant Jobst Plog, der die Verhandlungen mit Jauch geführt hatte, machte vor allem den WDR für Jauchs Absage verantwortlich. „Für uns war es wichtig, dass bei einem Engagement von Günther Jauch keine Missverständnisse auftreten“, konterten für die Kölner Anstalt Nochintendant Fritz Pleitgen und seine Nachfolgerin Monika Piel: Die ARD müsse vor allem im Informationsbereich auf ein eindeutiges Profil achten. Dem Publikum wäre „schwerlich zu vermitteln gewesen“ wenn Jauch dem ARD-Talk „in der Woche bei RTL mit einem journalistischen Format als Konkurrent entgegentritt“, so Pleitgen und Piel zu Jauchs Rolle bei „stern.tv“.

Jauch selbst sagte gestern zu stern.de, sein Vertrag mit der ARD sei „unterschriftsreif“ gewesen. Allerdings habe ihn auch vergrätzt, dass anders als bei „Christiansen“ nicht mehr die ARD-Programmdirektion, sondern die ARD-Chefredakteure für die Sendung verantwortlich sein sollten. „Es gab keinen Anlass, den Ansprechpartner zu wechseln“, so Jauch: „Ich hatte durch den Wechsel das Gefühl, nur geduldet zu sein, und dass ich an gleich mehrere Verantwortliche angebunden werden sollte.“ Die Verhandlungen mit der ARD seien ihm „wie eine Mischung aus Gesundheits- und Föderalismusreform“ vorgekommen.

RBB-Intendantin Dagmar Reim sieht nun für den Senderverbund einen „erheblichen Imageschaden“. Die ARD erfülle hier „die trübsten Klischees, die über sie im Umlauf sind“, wie den Spott, die Abkürzung ARD stehte für „Alle Reden Durcheinander“, sagte Reim im RBB-InfoRadio. Eine Steilvorlage der ehemaligen NDR-Hierarchin – Reim war bis zum Wechsel zum RBB Funkhauschefin in Hamburg –, die Springers Bild gern aufnahm: „Drama um Günther Jauch – diese Nachricht stürzt die ARD in eine tiefe Krise!“. Warum dem nicht so ist:

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