„Gegen ETA hilft nur Härte“

Die linke Regierung in Spanien setzt auf Verhandlungen mit ETA. Die Antwort von ETA war das Bombenattentat in Madrid. So stärkt Zapatero mit seiner unklaren und weichen Haltung die Terroristen, meint Mikel Buesa

taz: ETA hat mit einer Bombe in Madrid den Waffenstillstand gebrochen. War das absehbar?

Mikel Buesa: Ich war mir eigentlich sicher, dass ETA keine Anschläge verüben würde. Ich bin davon ausgegangen, dass ETA an einer Teilnahme ihres politischen Arms Batasuna an den Kommunalwahlen im Mai interessiert ist. Ein Attentat erschwert dies ungemein.

ETA scheint dieses Ziel nicht aufgegeben zu haben. Im Kommuniqué nach dem Anschlag von Madrid steht, dass ETA weiter verhandeln will.

Das spricht für meine These, dass das wichtigste Nahziel von ETA die Teilnahme an den Wahlen im Mai ist. Bevor Batasuna verboten wurde, erhielten die Partei und ihr Umfeld dank der Sitze in den Gemeinderäten und den Bürgermeisterämtern 23 Millionen Euro im Jahr aus Subventionen und aus den Gemeindehaushalten. Deshalb ist es für ETA und Batasuna lebensnotwendig in den Institutionen vertreten zu sein.

Dann hat ETA mit dem Anschlag aber einen erheblichen Fehler begangen?

Das wird sich zeigen. Denn die Haltung der spanischen Regierung zeugt von Schwäche. Es ist nicht auszuschließen, dass Batasuna nicht doch an den Wahlen teilnehmen kann.

Wieso?

Die Antwort der Regierung auf den Anschlag war alles andere als entschlossen. Die Regierung Zapatero hat alle Möglichkeiten offen gelassen. Auch die erneut zu verhandeln.

Warum ist die Regierung schwach?

Das hat mehrere Ursachen. Zapatero regiert mit einem Minderheitsregierung. Er ist auf die Unterstützung mehrerer nationalistischer Parteien aus dem Baskenland und Katalonien angewiesen. Diese Parteien unterstützen ohne Einschränkungen Verhandlungen mit ETA. Zapatero hat deshalb nur wenig Spielraum. Zum anderen hat sich innerhalb Zapateros Sozialisten (PSOE) eine Strömung durchgesetzt, die glaubt, nur Verhandlungen mit ETA über die Selbstbestimmung des Baskenlandes sei die Lösung. Drittens versucht Zapatero alles zu tun, um sich von der Vorgängerregierung, der konservativen Partido Popular (PP), abzusetzen. Also: Die PP wollte ETA besiegen, Zapatero verhandelt mit ihr.

Was wäre die Alternative zu der Verhandlungspolitik?

Eine Politik, die auf die Zerschlagung der ETA abzielt, wie sie die konservativen Regierung Aznar machte. Aber das würde eine Rückkehr zum Antiterrorpakt zwischen PSOE und PP bedeuten.

Zeigt die Geschichte nicht, dass ETA nur mit Polizei nicht beizukommen ist?

Wenn wir zurückschauen auf die Entwicklung seit 2000, als der Antiterrorpakt unterzeichnet wurde, zeichnet sich ein klares Bild. Ab 2003 verübt ETA kein tödlichen Anschlag mehr. Im zweiten Quartal 2004 gab es kein einziges ETA-Attentat. ETA war völlig geschwächt. Hätte die Regierung Zapatero, die 2004 an die Macht kam, weiterhin eine harte Politik betrieben, wäre ETA wahrscheinlich in sich zusammengebrochen wäre.

Aber ETA verfügt weiterhin über ein breites Umfeld.

Aznars Politik der Härte war nicht nur polizeilicher Natur. Es wurden Gesetze verschärft, die Strafen für Terrordelikte hochgesetzt, Batasuna wurde verboten. Und vor allem gab es eine sehr breite Mobilisierung gegen den Terror, die die politische und ideologische Stimmung entscheidend beeinflussten. Das ist heute eines der Probleme Zapateros. Eine breite Mehrheit der spanische Gesellschaft akzeptiert keine politischen Zugeständnisse an ETA und auch keine Hafterleichterungen für Terroristen. Das ist eines der Ergebnisse der Mobilisierungen zwischen 2000 und 2004.

Soll das heißen, dass ETA dank Zapatero neue Kraft geschöpft hat?

Das ist so. Reden wir mal nicht von Waffen. Wenn wir uns die Demonstrationen von Batasuna vor zwei Jahren anschauen, dann trugen sie damals handgeschriebene Transparente mit sich. Heute werden die Transparente und Plakate wieder in Druckereien in Auftrag gegeben. Dafür ist Geld nötig. Batasuna war praktisch pleite, als Zapatero an die Regierung kam. Heute haben sie – dank der Lockerung des Parteiengesetzes und dem Ende des Antiterrorpakts – wieder eine Struktur, um Gelder bei Mitgliedern und Unterstützern einzutreiben.

Sie sind also gegen jedwede weitere Verhandlungen?

Verhandlungen sind inakzeptabel. Es müssen die Gesetze angewandt und Batasuna muss weiterhin isoliert werden. Die Unterstützung für ETA ging bei den Umfragen von 12 Prozent im Jahr 2000 auf 2 Prozent im Jahr 2005 zurück. Das zeigt, dass alles zusammen – die politischen, ideologischen, polizeilichen und juristischen Maßnahmen – das Umfeld und die Operativität von ETA erheblich reduziert haben. Nichts deutete daraufhin, dass diese Politik gescheitert wäre. Es wäre also logisch gewesen so weiterzumachen.

INTERVIEW: REINER WANDLER