LESERINNENBRIEFE
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Eine tödliche Demonstration

■ betr.: „Ein elementarer Fehler der Grünen“, taz vom 3. 7. 14

Barbara John sagt in dem Interview einen wichtigen Satz: „… es gibt kein Menschenrecht auf Einwanderung für jeden.“ Weil das so ist, gibt es sieben Meter hohe Zäune mit messerscharfen Klingen in Ceuta und Melilla, gibt es Tausende von Toten im Mittelmeer, gibt es die Grenzschutzagentur Frontex, um uns die Flüchtlinge vom Hals zu halten. Eine tödliche Demonstration des Grundsatzes: Kein Menschenrecht auf Einwanderung. Richtig aber ist auch: Das Recht auf ein besseres Leben ist ein Menschenrecht. Durchsetzen wollen dieses Recht in Berlin Flüchtlinge, von denen es heißt: „Sie … haben nichts mehr zu verlieren.“

Den Grünen wirft John Verantwortungslosigkeit vor, weil sie die Besetzung der Gerhart-Hauptmann-Schule geduldet haben, während der Senat Verantwortung übernommen habe, weil er den Flüchtlingen die Stellung von Anträgen empfohlen habe. Anträgen, von denen jeder weiß, dass sie abgelehnt werden, weil die Bundesgesetze so sind, wie sie sind, und durch den Bezirk – so John – nicht abzuändern sind.

Warum aber, Frau John, sind die Bundesgesetze so, wie sie sind? Ist nicht genau Ihre Partei, die CDU, maßgeblich dafür verantwortlich? Und betreibt nicht Ihre Partei gerade wieder eine weitere Verschärfung der Asylgesetze, eine Verschärfung, die Heribert Prantl in der SZ kürzlich eine „Perfidie in Paragraphenform“ genannt hat?

MICHAEL STOFFELS, Kempen

Sinn für Gerechtigkeit?

■ betr.: „Der große Feldversuch: Mindestlohn“, taz vom 3. 7. 14

Beim Mindestlohn entdecken neoliberale Politiker und Journalisten auf einmal ihren Sinn für Gerechtigkeit. Da hat man Angst, dass der Praktikant mehr verdient als der Auszubildende oder junge Menschen mit guter Schulbildung sich von 8,50 Euro verführen lassen, ein Leben lang Zeitungen auszutragen, statt zu studieren oder einen Beruf zu erlernen. Natürlich muss auch der Spargel und der Wein bezahlbar bleiben für den einfachen Bürger. Für Polen oder Rumänen reichen doch Minilöhne voll und ganz. Der Kellner und die Reinigungskraft bekommen ja auch Trinkgeld, da braucht es auch nicht zu viel Grundgehalt des Arbeitnehmers.

Bei der Diätenerhöhung waren sich die Abgeordneten parteienübergreifend, und egal welcher Wirtschaftsideologie sie angehören, schnell mit der Aufstockung ihres mit über 8.000 Euro jetzt schon nicht ganz schlechten Monatsgehaltes auf dann 9.000 Euro einig. Auch ganz pauschal für alle 631 Abgeordneten ganz ohne Leistungsprinzip und trotz vieler zusätzlicher Extrazahlungen und Erstattungen.

Für welches Volk wird in dessen Namen im Bundestag eigentlich Politik gemacht?

MARKUS MEISTER, Kassel

Knackige FDP-Formulierung

■ betr.: „Wir Ausbeuter“, taz vom 3. 7. 14

Die taz hat also kaum Einfluss auf die Bezahlung ihrer Zeitungszusteller, da zu viele Auftragnehmer, Dienstleister, Agenturen dazwischenstehen? Mit sehr ähnlichen Argumenten können KiK und Aldi die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in Bangladesch ablehnen. Der Mindestlohn führt dazu, dass Zusteller ihre Jobs verlieren? Das hätte die FDP kaum knackiger formulieren können. Peinlich, taz, peinlich!

OLIVER STEINEBACH, Köln

Moralischer Grundsatz bleibt

■ betr.: „Wir Ausbeuter“, „Zeitungen kaufen keine Zeitungen“, taz vom 3. 7. 14

Was die ausgebeuteten Näherinnen in Bangladesch anbetrifft, gilt unsere moralische Verantwortung beim Kleidungskauf beinahe schon als Understatement. Die Empfehlung lautet, keine Billigklamotten zu kaufen, weil hierdurch die Ausbeutung erst ermöglicht wird. Nur frage ich mich, warum hierzulande kaum einer auf die Idee kommt, eine ebensolche Verantwortung gegenüber den hiesigen „missbrauchten“ Beschäftigten einzufordern. Auch hier gilt: Eine Ware oder Dienstleistung sollte aus den gleichen moralischen Gründen gar nicht erst in Anspruch genommen werden, wenn sie nur dadurch geschaffen und angeboten werden kann, dass Beschäftigte mit einem nicht existenzsichernden Hungerlohn bezahlt werden.

Freilich hinken solche Vergleiche der Lebensumstände immerzu. Der materielle Wohlstand hier ist trotz allem höher, es werden keine grundlegenden Menschenrechte verletzt usw. Dennoch: Der moralische Grundsatz bleibt und gilt absolut auch in diesem Falle. Dieser Aspekt kommt mir in der allgemeinen Debatte über den Mindestlohn viel zu kurz.

THOMAS JANISCH, Altenmünster