portrait
: Wirtschaftsprofessor mit vager Vision

Der serbische Sozialdemokrat Nikola Špirić strahlte über das ganze Gesicht, als am Mittwochabend die Wahl entschieden war. Der weißhaarige Wirtschaftsprofessor aus Banja Luka errang mit 29 Stimmen eine überwältigende Mehrheit im Parlament des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina. Damit wurde drei Monate nach der Parlamentswahl bei nur 6 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen erstmals ein Serbe zum Ministerpräsidenten des Vielvölkerstaates Bosnien und Herzegowina gewählt. Für ihn stimmten all jene Parteien, die voraussichtlich auch in der zukünftigen Regierung vertreten sein werden.

Der 1957 in der westbosnischen Stadt Drvar geborene Nikola Špirić gilt als ein pragmatischer Politiker, der sich als Kompromisskandidat eignet. Er ist keineswegs ein rabiater Nationalist, wenngleich man ihm nachsagt, zu Beginn des Krieges im Jahre 1991 Mitglied der extremistischen Radikalen Partei gewesen zu sein. Doch seine wirkliche politische Heimat fand er bald darauf bei den serbischen Sozialdemokraten in Bosnien und Herzegowina. Seit Jahren gilt Špirić als einer der engsten Mitarbeiter des Parteichefs Milorad Dodik.

Špirić repräsentiert nicht den serbischen Nationalismus, sondern eher die bosnische Tradition des Zusammenlebens. Der seit vier Jahren schon als Parlamentssprecher fungierende Špirić ist nämlich mit einer Muslimin aus Tuzla verheiratet, die aus einer gemischten muslimisch-orthodoxen Familie stammt. Das Paar hat zwei Kinder, die Tochter studiert in Wien, der Sohn geht in Banja Luka noch zur Schule.

Nach der Wahl des Vaters zum Ministerpräsidenten wird die in der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik Banja Luka ansässige Familie nach Sarajevo umziehen müssen. Špirić kennt die Stadt genau. Denn er hat hier an der Universität Wirtschaftswissenschaften studiert.

Špirić’ politische Position ist trotz seines Aufstiegs vage geblieben. Er werde alles daransetzen, die jahrelange Selbstblockade des Landes zu überwinden, um es in Richtung Nato und EU zu führen, sagte er zwar nach seiner Wahl, doch seine Aussagen in Bezug auf wichtige Reformvorhaben blieben ungenau. So umging er eine Stellungnahme zur wichtigen Polizeireform, die eine einheitliche Polizei schaffen soll. Und er wich in ersten Statements Fragen über andere weitreichende Verfassungsreformen aus.

Die EU hat eine Annäherung des Landes von Reformen abhängig gemacht. Die serbische Teilrepublik, die jetzt von den serbischen Sozialdemokraten geführt wird, will jedoch zum Ärger der EU und der USA keine Kompetenzen an den Gesamtstaat abgeben.

ERICH RATHFELDER