Langsames Heranpritschen

Der VCO Berlin hat einen Sonderstatus in der Volleyball-Bundesliga: Er ist die Trainingsmannschaft des deutschen Nachwuchses. Die Spieler sammeln dort Erfahrung – und heimsen manchmal kleine Erfolge ein wie am Samstag gegen den Tabellenführer

Der Senat und der Landessportbund unterstützen das Projekt finanziell

Von Johannes Kopp

Schon vor der Partie hatte der VCO Berlin die weiße Fahne gehisst. „Illusionen über den Ausgang der Partie gibt es beim Gastgeber nicht“, hieß es auf der Vereinsseite im Internet anlässlich des Volleyball-Bundesligaspiels gegen den VfB Friedrichshafen. Entsprechend unbeholfen sahen die Desillusionierten aus, als sie am Samstagabend den ersten Satz mit 25:23 gegen die Süddeutschen gewannen. Die Spieler schauten sich an und schmunzelten verlegen. Sie schienen eher an einen Streich des Schicksals als an ihre eigene Leistung zu glauben.

„Wir sind doch keine dummen Spieler“, erklärte Thilo Späth nach der Begegnung in der Anton-Saefkow-Sporthalle in Lichtenberg. Der VfB Friedrichshafen sei anfangs einfach nicht bei der Sache gewesen. Letztlich gewann das Team vom Bodensee souverän mit 3:1 Sätzen (23:25, 25:17, 25:16, 25:21). Friedrichshafen ist das Topteam im deutschen Volleyball. Es führt ungeschlagen die Bundesliga an; in der Champions League zählt es zu den besten europäischen Teams.

Der VCO Berlin dagegen trat zu 75 Prozent mit Spielern eines Teams an, das in der vergangenen Saison noch einen hinteren Tabellenplatz in der 2. Liga belegt hatte. Sportlich konnte sich die Mannschaft nicht für die Bundesliga qualifizieren. Der VCO Berlin hat einen Sonderstatus: Hier werden seit 1993 die Juniorenauswahlspieler Deutschlands zusammengeführt.

Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) will seine Nachwuchstalente möglichst schnell an das Niveau im Erwachsenenbereich heranführen. Im Alter zwischen 16 und 18 Jahren starten sie in der 2. Liga; in der nächsten Saison sollen sie sich in der Bundesliga weiter entwickeln. Das wird bei den Frauen wie auch bei den Männern so gehandhabt.

Der Spiritus Rector dieses Projekts ist Götz Moser, ehemaliger Vizepräsident des DVV. Als Manager des VCO Berlins begleitet er das Projekt seit mehr als 13 Jahren. „Dieses Nachwuchssystem ist einmalig auf der Welt. Nirgendwo gibt es etwas Besseres“, lobte schon Giovanni Guidetti, Trainer der deutschen Frauennationalmannschaft. Und Moser zählt zufrieden Spieler auf, die beim VCO Berlin waren und inzwischen zum Nationalkader gehören. Vergangenen Herbst bei der WM in Japan hätten fünf ehemalige VCO-Zöglinge im deutschen Team gestanden.

Moser räumt jedoch auch Schwachpunkte der Nachwuchsförderung ein. Bei der Technik- und Athletikausbildung bestehe großer Nachholbedarf. Außerdem würden viele Talente nicht kontinuierlich weiter gefördert. Wenn die Spieler nach ihrer Ausbildung beim VCO zu Bundesligateams wechselten, trainierten sie oft viel weniger. „Viele Clubs arbeiten noch nicht professionell“, beklagt Moser.

Gerade die schwächeren Vereine standen anfangs dem Projekt kritisch gegenüber. Schließlich hält die Juniorenauswahl einen wichtigen Bundesligaplatz besetzt. Inzwischen unterstützen alle dieses Modell, sagt Moser. Die Vereine hätten erkannt, dass sie von dem System profitieren. Für „Peanuts“, so Moser, könnten die Bundesligamanager gut ausgebildete Spieler nach Ablauf ihrer Zeit beim VCO unter Vertrag nehmen. Damit sich reiche wie arme Vereine gleichermaßen bedienen können, hat der Volleyballverband eine Gehaltsobergrenze für die wechselwilligen Junioren festgeschrieben.

Der Verband ist dem Prinzip der Neutralität verpflichtet. Gegenüber der Stadt Berlin steht man jedoch in einer gewissen Bringschuld. Der Berliner Senat, der hiesige Landessportbund und der Olympiastützpunkt unterstützen das Projekt finanziell. Götz Moser betrachtet das nicht als Problem. Berlin, sagt er, würde zum einen sowieso schon viele Talente einbringen, zum anderen hätte der derzeit einzige Bundesligist, der SC Charlottenburg, auch nur eine begrenzte Kapazität, Talente aufzunehmen.

In dieser Saison hat der VCO Berlin bislang nur ein Spiel gewonnen; er steht auf dem vorletzten Platz der Tabelle. Doch laut Moser machen die Erfahrungswerte der Vergangenheit Hoffnung, dass noch ein paar Siege hinzukommen. Mit dem Zuwachs an Erfahrung ist das Juniorenteam steigerungsfähig wie kein anderes. Dies deutete sich am Samstag ja im ersten Satz gegen Friedrichshafen an.