David Denk über GONZO i.V.
: Treuetränen für Veronika Ferres

Eine Deutschland-Flaterate ist eine feine Sache. Das glauben Sie nicht? Na, fragen Sie mal Ihre Hotline

Manchmal träume ich von einer besseren Welt: ohne magersüchtige Models, Rahmspinat – und ohne Handys. Dann ruft meistens irgendwer an. Das ist überwiegend erfreulich. Für mich. Denn wenig ist ja bekanntlich nerviger als in der Öffentlichkeit die Privatgespräche Wildfremder aufgedrängt zu bekommen. Diesen Leuten würde ich dann gern ihr Handy entreißen und ganz schlimme Dinge damit machen – was genau entscheide ich situativ, wie man so sagt. Gewaltfantasien entwickele ich auch bei notorischen Handy-auf-den-Tisch-Legern und „originellen“ Klingeltönen.

Wenn es bei mir allerdings mal wieder ein paar Minuten später wird, möchte ich mein Handy stellvertretend für alle anderen auf ein Samtkissen betten. „Wie haben die Leute das früher eigentlich gemacht?“, die Frage hört man ja immer wieder. Ich weiß es – aber bitte nicht weitersagen: Sie waren pünktlich. Oder ziemlich schnell unbeliebt.

Apropos unbeliebt: Ich glaube fest daran, dass ich bei der Hotline meines Providers, dem ich trotz seiner Werbung mit Veronica Ferres, aber in Unkenntnis der nun folgenden Leidensgeschichte die Treue gehalten habe, auf der schwarzen Liste stehe – Kategorie „Wirrköpfe“. Nur zu gern wüsste ich, was die freundlichen Mitarbeiter im System so über mich notiert haben. Wahrscheinlich beginnt der Bildschirm rot zu flackern, wenn man meine Handynummer eingibt.

Dabei hat alles ganz harmlos angefangen: Aus Bequemlichkeit und weil ich viel telefoniere und mein Anbieter neuerdings auch eine Deutschland-Flatrate anbietet, habe ich die Hotline angerufen, um meinen Vertrag zu verlängern (Um die Shops mache ich mittlerweile einen weiten Bogen, weil mir in dem am Berliner Hauptbahnhof neulich eine zweite SIM-Karte aufgeschwatzt wurde – „keine Grundgebühr, kein Mindestumsatz“, aber eine Rechnung über 25 Euro „Bereitstellungsgebühr“, die der freundliche Mitarbeiter, sicherlich versehentlich, auch auf Nachfrage nicht erwähnt hatte).

Ich bestellte also ein Handy mit „eins bis zwei Wochen Lieferzeit“, wie der Callcenter-Mitarbeiter sagte, und wählte die Deutschland-Flatrate. Nachts bekam ich eine SMS, in der mir mitgeteilt wurde, dass mein Vertrag nun umgestellt sei – auf einen ganz anderen Tarif. Also rief ich am nächsten Tag wieder bei der Hotline an, wartete und wartete, bis mich endlich eine Dame nach meinem Begehr fragte: Ich erzählte ihr von dem Versehen ihres Kollegen. Und wartete wieder. Diesmal lief ein Song von Seal. Zwei Strophen plus Refrain, Minimum. Dann wieder die Dame. Ja, das sei ein bisschen schwierig, weil man den Tarif nur alle 48 Stunden wechseln kann, aber sie bemüht sich. Wieder Seal. Schließlich entließ die Dame mich in dem Glauben, dass alles geklappt hat.

Weil ich diesmal keine SMS bekam, rief ich einige Tage später wieder bei der Hotline an, um mich zu erkundigen, ob der Tarifwechsel geklappt hat: Tarifwechsel? Der Callcenter-Mitarbeiter tat wie Tulpe. Ich erzählte noch mal die ganze Geschichte und fragte ihn, wieso seine Kollegen unfähig sind. „Weiß ich nicht, Herr Denk, ich war ja nicht dabei“, antwortete er. Spätestens jetzt wäre ich ihm gern an die Gurgel gegangen: „Ich schon!“ brach der Frust über dieses institutionalisierte Verschieben von Verantwortlichkeiten aus mir raus: Alle sind zuständig – also keiner. Vielleicht werde ich auf der schwarzen Liste doch unter „Klugscheißer“ geführt.

Ich hasse es, für dumm verkauft zu werden. Und die Mitarbeiter meines Providers gaben mir nie das Gefühl als Kunde König zu sein, eher ein Pflegefall. „Herr Denk, das schaue ich gern für Sie nach“, sagten sie oft, um Beflissenheit zu heucheln. Es klang wie: „Herr Denk, so und jetzt wechseln wir ihre Windeln.“

Nach einem weiteren Anruf wurde mein Vertrag endlich umgestellt – „aus Kulanz“ koste mich dies nichts, sagte man mir. Das glaube ich erst, wenn ich meine nächste Rechnung gesehen habe. Wenn es stimmt, gelobe ich hiermit feierlich, danach einige Tränen zu vergießen – aus Dankbarkeit über die Großzügigkeit meines geliebten Handyproviders.

Fragen zur Hotline? kolumne@taz.de Morgen: Arno Frank über GESCHÖPFE