Stärkere Konkurrenz für die Deutsche Bahn

JUSTIZ Die milliardenschweren Aufträge im Nahverkehr müssen ausgeschrieben werden, entscheidet der Bundesgerichtshof. Direktvergaben sind nicht mehr möglich. Die Fahrgäste könnten davon profitieren

BERLIN taz | Die bundeseigene Deutsche Bahn AG muss sich auf dem milliardenschweren Markt mit S-Bahnen und anderen Regionalzügen künftig auf schärferen Wettbewerb einstellen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Dienstag, dass die staatlich mitfinanzierten Nahverkehrsleistungen künftig alle ausgeschrieben werden müssen; Direktvergaben sind nicht mehr möglich. Die Fahrgäste können sich, erwarten Branchenkenner, wegen der größeren Konkurrenz auf bessere Leistungen für weniger Geld freuen. Die Gewerkschaften dagegen müssten die Beschäftigten durch Flächentarifverträge vor Dumpinglohnkonkurrenz schützen. Bis 2015 werden bundesweit rund 325 Millionen Zugkilometer neu vergeben. Zum Vergleich: Das Berliner S-Bahn-Netz umfasst mehr als 32 Millionen Zugkilometer pro Jahr, in Hamburg sind es rund 10,5 Millionen.

Im konkreten Fall ging es um Direktvergaben in Nordrhein-Westfalen. Dort hatten der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und die Deutschen Bahn 2009 nach jahrelangem Rechtsstreit um Qualität und Pünktlichkeit des Nahverkehrs vereinbart, dass die Bahn für das Land neue Züge beschafft und das Verbindungsnetz enger knüpft. Im Gegenzug wurden die Aufträge für die nordrhein-westfälischen S-Bahn-Verbindungen bis 2023 verlängert – ein Milliardengeschäft in Direktvergabe. Der Konkurrent Abellio, eine Tochter der niederländischen Staatsbahnen, sah sich benachteiligt. Abellio wehrte sich, und die Vergabekammer Münster erklärte den Vertrag zwischen VRR und Bahn für unwirksam. Der BGH bestätigte dies nun höchstrichterlich.

Wie es in Nordrhein-Westfalen weitergeht, ist offen. Die DB zeigte sich gestern zu Gesprächen bereit. NRW-Verkehrsminister Harry Voigtsberger (SPD) forderte eine rasche Lösung. „Den VRR wird das Urteil vor erhebliche Probleme stellen.“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr, Interessenvertretung der Besteller und Bezahler des Verkehrs, begrüßte das Urteil. Bei mehr als 230 Vergabeverfahren sei das Ziel erreicht worden, bessere Qualität zu einem besseren Preis zu erhalten, hieß es.

Der Schienenpersonennahverkehr wird, anders als der Fernverkehr, zu einem Großteil durch die öffentliche Hand finanziert; die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf spielen oft nur eine Nebenrolle. Im Falle der NRW-S-Bahnen decken Zahlungen der öffentlichen Hand laut BGH 64 Prozent der Kosten.

RICHARD ROTHER