Das Amt schweigt

AUSKUNFT Baden-Württembergs Grüne wollten ein Recht auf freien Zugang zu Informationen. Umgesetzt haben sie das noch nicht

Paradoxerweise ist das Papier zur Transparenz nicht öffentlich zugänglich

AUS STUTTGART LENA MÜSSIGMANN

Wer der Verwaltung in Baden-Württemberg Fragen stellen will, muss weiterhin auf Antwort warten. Denn die rechtliche Grundlage dafür fehlt. Obwohl die grün-rote Koalition unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schon 2011 ein „umfassendes Informationsfreiheitsgesetz“ für Baden-Württemberg angekündigt hatte.

Ein solches Informationsfreiheitsgesetz garantiert Bürgern freien Zugang zu den bei den öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen. Auch wenn Beamte dafür Akten durchwühlen, schwärzen und zusammenstellen müssen. In elf Bundesländern gibt es ein solches Gesetz, fünf fehlen, darunter Baden-Württemberg.

Drei Jahre sind seit Amtsantritt von Grün-Rot vergangen, ohne dass sich in Sachen Transparenz etwas bewegt hätte. Die Zeit könnte knapp werden. Im Frühling 2016 wird ein neuer Landtag gewählt.

Bereits im Februar hat das SPD-Innenministerium Eckpunkte eines Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt. Paradoxerweise ist das Papier zur Transparenz nicht öffentlich zugänglich. Über Umwege ist es trotzdem an die Presse gelangt. Und es zeigt sich: Es ist bei Weitem nicht so „umfassend“ wie angekündigt.

Der Journalist Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche kritisiert es heftig. „Ich erwarte nach so langer Zeit den großen Wurf“, sagt er. Das Eckpunkte-Papier aber sei „sehr vorsichtig, restriktiv und von einer geradezu ängstlichen Herangehensweise geprägt“. Die zahlreichen Ausnahmen von der Informationspflicht führten das geplante Gesetz ad absurdum. Universitäten oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind zum Beispiel ausgenommen.

Die Kosten einer Anfrage trägt laut Innenministeriums-Entwurf derjenige, der anfragt. Sie sind nicht gedeckelt (wie im Bundesgesetz auf 500 Euro), sondern können in ungeahnte Höhen steigen. Das bemängelt neben Netzwerk Recherche auch die Organisation „Mehr Demokratie“.

Den Grünen kann das Papier nicht gefallen. In ihren eigenen Eckpunkten zum Thema vom Juni 2013 hatten sie geschrieben: „Die Informationsfreiheit darf nicht durch zu hohe Gebühren und Kosten erschwert werden.“

„Ich habe den Verdacht, dass die Grünen vom kleinen Koalitionspartner über den Tisch gezogen werden“, sagt Redelfs.

Und die wehren sich nicht einmal dagegen. Im Innenministerium wird seit einiger Zeit eine Stellungnahme der Grünen zu dem Eckpunktepapier erwartet. Bislang kam keine. „Wir wollen das Gesetz auf alle Fälle durchbekommen“, sagt ein Sprecher. In den nächsten Wochen werde ein Entwurf ausgearbeitet – im Zweifel eben ohne die Grünen.

Alexander Salomon, bei den Grünen zuständig für das Thema, sagt, man arbeite an einer fraktionsübergreifenden Stellungnahme. Dabei sei zu erwarten, dass die Grünen von ihrem weitreichenden Konzept abweichen müssten. Er wolle aber auf mehr proaktive Veröffentlichungspflichten der Verwaltung drängen und eine Abwägungsklausel in den Entwurf hineinschreiben, sodass ein großes öffentliches Interesse auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der auskunftspflichtigen Stelle aushebeln kann. „Wir sehen schon noch Verbesserungsmöglichkeiten“, sagt er. Salomon will, dass Baden-Württemberg ab Januar ein Informationsfreiheitsgesetz hat. Egal, ob von der angekündigten Transparenz nur noch ein Bruchteil übrig bleibt.