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Archiv-Artikel

Bremerhaven gibt es nicht

HEIMATKUNDE In der dritten Klasse lernen auch Bremer GrundschülerInnen die Bundesländer – doch einschlägiges Zusatz-Material des Buxtehuder Persen-Verlags hat eine böse Lücke

Errata-Zettel

Verflixt! Die Schule hat „Sachunterricht – 3./4. Klasse, Raum und Umwelt“ zum Stückpreis von 19,90 Euro angeschafft, oder Sie haben’s sogar selbst gekauft – was nun mit den falschen Daten? Die taz bremen hilft mit einem Errata-Zettel zum Ausschneiden und drüberkleben:

■ Einwohnerzahl: 660. 946

■ Fläche: 420 Quadratkilometer

■ Einwohner pro Quadratkilometer: 1.576

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Stand Januar 2011

Der Buxtehuder Persen-Verlag hat einen recht guten Ruf. Das liegt zumal an seiner Reihe der „Bergedorfer Unterrichtshilfen“, einer registrierten Marke. Die „Unterrichtshilfen“ sind auch in Bremen im Einsatz, allerdings kann die Behörde nicht sagen, in welchem Umfang: „Das ist kein Lernbuch, sondern Zusatzmaterial“, so die Sprecherin. „Was davon eingesetzt wird, liegt in der Verantwortung der Schulen.“

Beliebt bei PädagogInnen sind die Bergedorfer Broschüren wie „Sachunterricht – 3./4. Klasse, Raum und Umwelt“ auch, weil sie, im Loseblatt-Modus ediert, ausdrücklich als Kopiervorlagen genutzt werden dürfen. Und das erleichtert die Vorbereitung von Tests. Nur: Wenn Ihr Kind als Drittklässler die Bremer Bundesland-Größe und Einwohnerzahl kennt und sie bei der Prüfung angibt, riskiert es eine schlechte Note. In Buxtehude nämlich ist dem erfahrenen AutorInnen-Trio des „Sachunterricht“-Readers bei der kniffligen Recherche ein Lapsus unterlaufen.

Denn sehr genau wissen wollten sie’s schon: In der fürs Auswändiglernen geradezu prädestinierten tabellarischen Eckdatenzusammenschau der 16 Bundesländer begnügen sich Mona Dechant, Karl-Walter Kohrs und Joachim Weyers nämlich keineswegs mit gerundeten Zahlen, die man für einprägsamer und deshalb didaktisch sinnvoller halten könnte. Natürlich auch bei Bremen nicht. Bei der Einwohnerzahl steht da: 546.836, und bei Fläche: 325 Quadratkilometer, na wenigstens keine Nachkommastellen! Das sind – na, nicht wirklich falsche Zahlen, das kann man nicht sagen. Die Frage, woher sie stammen, wollte der Verlag aus Buxtehude gestern zwar nicht beantworten. Dabei dürfte die Quelle letztlich das Statistische Landesamt sein. Bloß beziehen sich die Werte nicht auf die Freie Hansestadt Bremen, also das Land. Sie sind deutlich zu klein. Was fehlt sind jene durchschnittlich 114.110 Menschen und rund 93 Quadratkilometer, die gemeinhin unter dem Begriff Bremerhaven zusammengefasst werden.

Das ist doppelt bitter. Denn einerseits ist Bremen ja wirklich schon so klein, dass Bergedorfer und Buxtehuder es nicht willkürlich weiter zusammenstreichen sollten. Das ist unfair. Andererseits: Auch das virtuelle Bundesrepublik-Gesamt, das sich aus den anregenden Lernmaterialien ja bilden lässt, kann die Lücke nicht schließen. Die Bremerhavener werden nicht gelernt, möglicherweise nicht einmal von dortigen Drittklässlern – die soziopsychologischen Folgen möchte man sich gar nicht ausmalen. BENNO SCHIRRMEISTER