Die Unruhen weiten sich auf Israel aus

GEWALT Israelische Araber protestieren gegen den Mord an einem Jugendlichen. Hamas beschießt weiter den Süden Israels

JERUSALEM taz | Brennende Reifen, Steinewürfe und Tränengas – der Zorn über den gewaltsamen Tod des palästinensischen Jungen Mohammed Abu Chedair weitet sich auch auf arabische Ortschaften in Israel aus. Dutzende Demonstranten lieferten sich am Wochenende vor allem in Nazareth und in Um al-Fahm über Stunden Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften. Ihre Solidarität gilt den Palästinensern in Ostjerusalem und Schuafat, dem Heimatort des ermordeten Jungen. Auch die Anspannung im südlichen Grenzbereich zum Gazastreifen dauert an. Islamische Extremisten im Gazastreifen schossen trotz der ägyptischen Versuche, beide Seiten zu einem Waffenstillstand zu bewegen, erneut Raketen auf Israel ab.

Am Freitag hatte die Regierung in Jerusalem der Hamas ein 48-stündiges Ultimatum zur Einstellung der Raketenangriffe gestellt. Bereits am Vortag hatte die Armee Truppen zusammengezogen, um ihre Bereitschaft für eine mögliche Bodenoffensive zu signalisieren. Die Hamas sei bereit, das Feuer einzustellen, erklärte dazu am Wochenende Muschir al-Masri, ein Sprecher der Hamas-Islamisten. Zuerst müsse jedoch „der zionistische Feind die Aggression beenden“, schränkte er ein. Zum ersten Mal seit der Eskalation im November 2012 geriet gestern die israelische Wüstenstadt Beerschewa unter Beschuss der islamischen Extremisten.

„Wir agieren an mehreren Fronten gleichzeitig“, erklärte Israels Regierungschef Netanjahu zu Beginn der sonntäglichen Kabinettsitzung. Die Erfahrung zeige, dass „in solchen Zeiten verantwortungsvoll und ruhig reagiert werden muss, nicht überhastet“.

Amos Jadlin, ehemaliger Chef des militärischen Abwehrdienstes, hält eine Bodenoffensive im Gazastreifen für nötig. Ziel sei, die militärische Schlagkraft der Hamas zu reduzieren, nicht jedoch eine Besetzung, wie sie der rechts-nationale Außenminister Avigdor Lieberman jüngst gefordert hatte. Sollten die Raketenangriffe nicht aufhören, „hielte ich es für richtig, die Truppen in den Gazastreifen zu schicken und wieder abzuziehen“, meinte Jadlin im Rahmen einer Konferenz am Wochenende.

Der Konflikt mit den Palästinensern stelle für Israel die „Hauptbedrohung“ dar, meinte Tamir Pardo, Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, und stellte zum ersten Mal seit Jahren die Gefahr eines Atomschlags aus Teheran in den Schatten des palästinensischen Widerstandes. SUSANNE KNAUL