Rückzug von der Trutzburg

Erst wollen Wirtschaftsamt und Polizei eine Disko im autonomen Projekt „Køpi“ schließen. Nun üben sie sich im Rückzug. Polizei: Sache erledigt. Amt will erst mal Akten prüfen. Die Bewohner feiern

VON PLUTONIA PLARRE
UND FELIX LEE

Es war nicht das erste Mal, dass sich Unternehmer oder staatliche Behörden am „Køpi“ die Zähne ausbeißen. Aber beim bisher letzten Versuch kam es für Polizei und Ordnungsamt besonders dicke: Erst wurden sie vor Ort von den Bewohnern und Freunden des autonomen Wohn- und Kulturprojekt in der Köpenicker Straße 137 in die Flucht geschlagen (die taz berichtete). Gestern versuchten sich nun auch die Leitungsebenen im geordneten Rückzug. „Für die Polizei ist diese Sache erledigt“, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch, nachdem das Wirtschaftsamt Mitte ein Amtshilfeersuchen zurückgezogen hatte. Und der Wirtschaftsstadtrat von Mitte, Joachim Zeller (CDU), versicherte: „Gegen die Betreiber des Køpi wird nun – wie gegen andere illegale Schankbetriebe auch – auf dem ganz normalen Verwaltungsweg vorgegangen.“

In der Nacht zu Samstag hatten zwei Vertreter des Ordnungsamtes zusammen mit dem für Gewerbedelikte zuständigen Kommissariat des Landeskriminalsamtes und einer Hundertschaft das Køpi gestürmt – Grund war der Verdacht, dass dort illegal eine Schankwirtschaft betrieben werde. In dem 1990 besetzen Haus finden bereits seit fast 17 Jahren Konzerte statt. Dennoch wurden die Anwesenden aus den Räumen verwiesen. Während die Beamten auf den Schlüsseldienst warteten, hatten dann laut Polizeipräsident 70 Personen versucht, durch die Absperrung zu gelangen. Es sei zu Rangeleien gekommen. Daraufhin habe der laut Glietsch „unerfahrene Einsatzleiter“ beschlossen, seine Kräfte wieder abzuziehen – ohne den Kneipenbetrieb zu schließen.

Gegenüber der taz sagte Glietsch gestern, der Einsatz sei auf „Sacharbeiterebene“ beschlossen worden. Hätten Polizeiführung und Wirtschaftsstadtrat rechtzeitig davon Kenntnis erhalten, „wäre das nicht so gelaufen“.

Zeller hingegen rechtfertigte den Einsatz. Dem Ordnungsamt lägen mehrere Anzeigen gegen das Køpi wegen illegalen Gaststättenbetriebs vor. Auch im Internet sei die Einrichtung als „Clubbetrieb mit Musikdarbietungen“ ausgewiesen. Die Seiten des Køpi wurden jedoch seit 2001 nicht mehr aktualisiert. Bei dem Einsatz am Freitag sollte laut Zeller überprüft werden, ob es sich wirklich um einen illegalen Schankbetrieb handelt. Die Polizei habe dem Ordnungsamt im Vorfeld mitgeteilt, dass das Køpi nicht irgendeine Gaststätte sei, sondern ein autonomes Zentrum. „Das wird ein schwieriger Einsatz, da geht ihr nicht allein hin“, zitiert Zeller die Polizei. Glietsch teilte mit, Zeller habe der Polizei zugesagt, das Ordnungsamt werde kein erneutes Amtshilfeersuchen stellen.

In der linken Szene ist die Freude über die Polizeipanne groß: Das sei „ein Schlag gegen die Berliner Wirtschaftskriminalität“, sagte ein Køpi-Sprecher. Wirtschaftsamt und Polizei hätten sich bis auf die Knochen blamiert. Bei der vermeintlichen illegalen Diskothek handele es sich um Vereinsräume. Dort werde auch kein Gewinn erwirtschaftet, heißt es in einer Erklärung. 12 Personen hätten sich zum Zeitpunkt des Überfalls im Vereinsraum befunden. „Die Kasse, die durch die Ordnungshüter beschlagnahmt wurde, enthielt ganze 18 Euro an Spendengeldern.“

Das Haus, das von weitem einer Bauruine ähnelt, genießt über die Stadtgrenzen hinaus Kultcharakter. Besetzt wurde die Køpi Anfang 1990 wenige Wochen nach der Maueröffnung. Es war das erste Haus in Ostberlin, das von Westberliner Autonomen in Beschlag genommen wurde. Bereits 1991 schlossen die Bewohner Mietverträge mit der damals zuständigen Wohnungsbaugesellschaft GSE ab.

1995 wurde das Gebäude an einen Privatinvestor übertragen. Der reichte zwar eine Räumungsklage ein, ging aber vor einer Entscheidung Pleite. Eine Gläubigerbank versuchte in den Folgejahren mehrfach vergeblich das Haus zur versteigern. Bis heute bietet die Køpi Wohnraum für rund 60 Personen und ist Treffpunkt zahlreicher linker und autonomer Gruppen.

Die Vermutung einiger Køpi-Bewohner, der Polizeieinsatz stehe im Zusammenhang mit den anstehenden G-8-Protesten in Heiligendamm, dementierte Glietsch entschieden.